Gerade ist auch der Rottenburger Bischof Krämer in Rom. Er blickt auf die Zusammensetzung der Gruppe der Papstwähler – und auch nach Deutschland auf den Reformprozess Synodaler Weg.
Nach dem Tod von Papst Franziskus und zur Wahl seines Nachfolgers treffen sich nicht nur Kardinäle, sondern auch viele andere Kirchenleute in Rom. Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Klaus Krämer, war etliche Jahre Präsident des Missionswerks Missio in Aachen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) traf ihn in Rom zu einem Vorkonklave-Gespräch.
Frage: Bischof Krämer, Papst Franziskus hat das Kardinalskollegium internationaler gemacht. Als ehemaliger Chef von missio Aachen sind Sie mit Afrika, Asien und Ozeanien vertraut. Sind die Purpurträger von Tonga bis zu den Kapverden tatsächlich zu vereinzelt?
Antwort: Es sind jetzt Kardinäle aus 70 Ländern; ein derart internationales Kardinalskollegium gab es noch nie. Das ist ein Verdienst von Franziskus. Das Problem war, dass sich die Kardinäle nicht oft genug getroffen haben, um die Zukunft der Kirche zu diskutieren. Das Vorkonklave ist aber eine Gelegenheit, sich kennenzulernen.
Frage: Waren die Kardinalsernennungen von den vermeintlichen Rändern nur Symbolpolitik, oder bereichern sie die Kirche tatsächlich?
Antwort: Jeder bringt eine spezifische Perspektive ein ins Kollegium. Das trägt der Internationalisierung der katholischen Kirche gut Rechnung. Viele vertreten sicher Grundanliegen von Franziskus, aber ganz genau kann man das nicht einschätzen.
Frage: Ist das Kardinalskollegium nun tatsächlich repräsentativer mit Vertretern aus der Mongolei oder Tonga, während Metropolen wie Paris oder Mailand nicht vertreten sind?
Antwort: Die Vielseitigkeit ist gewachsen, aber gemessen an der Zahl der Katholiken vor Ort ist es nicht repräsentativ. Da muss man in Zukunft auf eine bessere Balance achten. Dass große Bischofssitze zuletzt nicht berücksichtigt wurden, ist ein Problem, weil ein Bischof dort auch lernen kann, große Einheiten zu führen, um auf das Papstamt vorbereitet zu werden. Franziskus hatte vorher die Erzdiözese Buenos Aires, war im Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM sehr aktiv; vergleichbare Kompetenzen fehlen derzeit etwas im Kardinalskollegium.
Frage: Schon länger heißt es, die katholische Kirche sei reif für einen Papst aus Afrika oder Asien. Ist sie das?
Antwort: Die Nationalität spielt bei dieser Wahl eine sekundäre Rolle. Wenn sich eine starke, überzeugende Persönlichkeit aus diesen Regionen findet, hat sie gute Chancen, gewählt zu werden.
Frage: Aber mit jemandem aus den Philippinen oder dem Kongo kommt eine andere Kultur in den Vatikan. Das war ja schon bei Franziskus so.
Antwort: Das ist das Grundproblem unserer Weltkirche. Aber das gilt auch umgekehrt: Katholiken aus diesen Ländern fühlen sich von Europäern oder Italienern nicht immer verstanden. Wir stehen noch am Anfang dieser Herausforderung: Der Vielfalt Rechnung zu tragen und sie in einen guten Dialog zu führen für eine produktive Auseinandersetzung.
Frage: Umgekehrt: Sehen Sie mögliche Kandidaten aus dem globalen Süden, die reif wären für die Leitung der Weltkirche?
Antwort: Es gibt sicher einzelne, denen man das zutrauen kann. Es wird immer wieder Kardinal Tagle von den Philippinen genannt, den ich schon lange kenne. Er hat eines der größten Bistümer geleitet, Manila, und ist in der asiatischen Bischofsversammlung FABC aktiv.
Frage: Wie lassen sich Unterschiede und Distanzen zwischen der Kirche im Süden und der im Norden überbrücken oder zusammenhalten?
Antwort: Unter Franziskus gab es wichtige Schritte dazu, vor allem mit dem Ausbau der synodalen Strukturen. Der Weg muss weiter gegangen werden. Es gibt Strukturen auf den Kontinenten, die nun untereinander und mit der übrigen Weltkirchen vermittelt werden müssen. Der Kardinalsrat mit je einem Vertreter pro Kontinent war ein Ansatz. Die vorhandenen Ansätze müssen weiterentwickelt und gut aufeinander abgestimmt werden müssen.
Frage: War es eine gute Idee, die Bischofssynode zur Synodalität weiterzuführen mit einer allgemeinen Versammlung erst 2028? Ist das ein solcher Ansatz?
Antwort: Das ist ein erster Schritt. Ich bin froh, dass Franziskus noch einmal deutlich gemacht hat: Dies war kein einmaliges Ereignis, sondern das muss weitergehen. Die Dialoge auf und zwischen verschiedenen Ebenen sollen eine ständige Übung werden.
Frage: Das Vatikan-Papier zur Segnung homosexueller Partner hat insbesondere in Afrika für Protest gesorgt. Hat sich das inzwischen beruhigt?
Antwort: Das Dokument hat quasi ins Wespennest gestochen, weil es um eine der Fragen geht, die zwischen den Kulturen am umstrittensten sind. Da muss Rom sich künftig darauf beschränken, Grundsätze zu formulieren, und es nationalen Bischofskonferenzen überlassen, Wege zu finden, die für ihre regionalen und kulturellen Kontexte passend und stimmig sind. Es hätte ein Musterbeispiel sein können, wie solche Prozesse laufen. Aber dann muss man mit den Rahmenbedingungen auch Spielräume lassen für unterschiedliche Lösungen, die dennoch weltkirchlich zusammenklingen.
Frage: Dieser Tage trifft sich in Deutschland der Synodale Ausschuss, um den Synodalen Weg weiterzuführen. Wie geht das Projekt weiter?
Antwort: Wir müssen sehen, dass unser Weg mit dem weltweiten wieder zusammenläuft. Aber das ist meines Erachtens auf einem guten Weg. Es gibt gute Abstimmungen zwischen Kurie und Bischofskonferenz. Die Herausforderung wird sein, dass unsere Strukturen mit den gesamtkirchlichen kompatibel sind. Das Problem stellt sich aber weltweit. Die Kunst wird sein, bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf einem gemeinsamen Weg zu bleiben.
Frage: Aber es geht weiter in Deutschland, oder versandet der Synodale Weg?