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Wie eine mutige Bischöfin Trump ins Gewissen redet

Bei einem Gottesdienst in Washington wendet sich Bischöfin Mariann Edgar Budde direkt an Trump. Das sorgt in den USA für Aufsehen. Und der Präsident? Steht in der ersten Reihe und schaut mürrisch.

Mit mürrischem Gesichtsausdruck nimmt Trump die Predigt entgegen
Mit mürrischem Gesichtsausdruck nimmt Trump die Predigt entgegenImago / Zuma Wire

Die Predigerin spürte offenbar die Schwere ihrer Aufgabe beim ökumenischen Gottesdienst zur Amtseinführung Donald Trumps in der National Cathedral in Washington. Die religiöse Feier ist Tradition seit den Tagen von Präsident Franklin D. Roosevelt und seitdem Pflichtprogramm für frisch vereidigte US-Präsidenten. Tradition ist eigentlich auch, dass sie eher politische Neutralität ausstrahlt, statt dem neuen Staatsoberhaupt geistliche Ermahnungen auf den Weg zu geben. Nicht so dieses Mal.

Zusammen mit First Lady Melania, Vizepräsident J. D. Vance und dessen Frau Usha hatte der 47. Präsident in der ersten Reihe Platz genommen. Dahinter saßen Trumps spirituelle Beraterin, die TV-Predigerin Paula White, und der republikanische Speaker des Repräsentantenhauses Mike Johnson, ein Evangelikaler, der gern fromme Worte gebraucht.

Bischöfin Budde schaut Trump direkt in die Augen

Die anglikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde stand nur wenige Meter vom Präsidenten entfernt, als sie das Wort ergriff. Sie schaute Trump direkt an und hielt dem Mann, der sich tags zuvor bei seiner Rede zur Amtseinführung als Auserwählter Gottes inszeniert hatte, eine Standpauke.

“Im Namen Gottes bitte ich Sie, haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben”, hallte Buddes ruhige Stimme durch das Kirchenschiff. Ihre sorgfältig vorbereitete Predigt zielte direkt auf Trumps geplante Massenabschiebungen. “Die große Mehrheit der Einwanderer sind keine Kriminellen”, mahnte die Bischöfin. “Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn.”

Nachdrücklich verwies sie auf die “Menschen, die unsere Ernte einbringen, unsere Bürogebäude reinigen, in Geflügelfarmen und Fleischfabriken arbeiten, die nachts in Krankenhäusern Dienst tun”. Besonders eindringlich war ihr Appell für die “Kinder, die fürchten müssen, dass ihre Eltern weggebracht werden”.

Trump reagiert wie üblich: mit Häme und Spott

Es war ein unbequemer, manche sagen historischer Moment in der Kathedrale, in der sich Vertreter muslimischer, jüdischer, mormonischer und anderer Glaubensrichtungen versammelt hatten. Demonstrativ blieb Chief Jesse J. Swann Jr. vom Volk der Piscataway Conoy fern, der die Ureinwohner des Landes vertreten sollte.

Trump reagierte unmittelbar danach mit Spott und Häme auf die Mahnung der Bischöfin, die ihn um eine barmherzigere Politik gebeten hatte. “Nicht sehr aufregend, oder?”, höhnte er vor Reportern. “Das hätte sie besser machen können.”

Trump: Gottesdienst war langweilig

Tags darauf ging er noch heftiger in die Offensive: Die “sogenannte Bischöfin” sei eine “linksradikale Trump-Hasserin”, schrieb er auf seiner Online-Plattform “Truth Social”. Der Präsident warf ihr vor, ihre Kirche ungebührlich in die politische Debatte eingebracht zu haben. “Ihr Ton war unangenehm und weder überzeugend noch klug.”

Vor allem habe die Geistliche versäumt, die hohe Zahl illegal eingewanderter Migranten zu erwähnen, die in den USA Menschen umgebracht hätten. Ohnehin sei der gesamte Gottesdienst “langweilig und uninspiriert” gewesen. Von Budde und ihrer Kirche forderte Trump eine Entschuldigung.

Bedford-Strohm lobt Predigt

Der evangelische Theologe Heinrich Bedford-Strohm würdigte Bischöfin Budde als „leuchtendes Beispiel“ für Mut. „Das war zutiefst biblisch verankerte Prophetie im besten Sinne!“, heißt es in einem Beitrag des Vorsitzenden des Weltkirchenrats und früheren Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch auf seinem Facebook-Account.

Die Bischöfin habe damit den mit seiner Familie und der ganzen neuen Führung anwesenden US-Präsidenten mit einem Kernanliegen der Bibel direkt angesprochen, dass Gott die Menschen lehre, gegenüber Fremden barmherzig zu sein, erklärte Bedford-Strohm.

Dass Bischöfin Budde dies in dieser Situation so direkt gegenüber dem mächtigsten Mann der Welt zur Sprache gebracht habe, „war mutig“, so der frühere bayerische Landesbischof Bedford-Strohm. Es erinnere an die Szene von der Begegnung des Propheten Nathan mit König David, die in 2. Samuel 12 in der Bibel berichtet wird und in der der Prophet den König in einer Strafrede direkt konfrontiert, weil er die Schwachen mit Füßen getreten hat. (mit Material von epd)