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Berater: Schulden zu haben ist immer noch “sehr schambehaftet”

Nach den Worten einer Schuldnerberaterin ist es immer noch ein gesellschaftliches Tabu, wenn man seine Rechnungen nicht begleichen kann. Viele Menschen “wagen bei uns so etwas wie einen Befreiungsschlag – allein das nimmt ihnen eine große Last von den Schultern. Das Thema ist leider noch ein großes Tabu in unserer Gesellschaft – man hat einfach keine Schulden”, sagte die Leiterin der Caritas-Schuldnerberatungsstelle in Berlin-Mitte, Josefa Fernandez, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

Laut aktuellem Schuldneratlas hat in Deutschland zum ersten Mal seit 2018 die Zahl derer, die in die Schuldenfalle geraten, deutlich zugenommen. 5,6 Millionen Haushalte in Deutschland sind überschuldet.

Die Menschen kämen aus allen gesellschaftlichen Schichten, sagte Fernandez. “Es ist ein Mix – darunter sind viele aus dem Niedriglohnsektor, die trotz mehrerer Jobs finanziell nicht zurechtkommen, aber auch Unternehmer, die mit ihrer Geschäftsidee gescheitert sind. Hier in Berlin-Mitte beraten wir auch viele Künstler. Deren Zahl hat sich durch die Pandemie noch einmal drastisch erhöht.”

Grundsätzlich sei das Thema sehr schambehaftet. Es brauche Zeit und eine sichere Umgebung, um Vertrauen aufzubauen. Zudem müsse eine Schuldnerberatung auf jede Biografie individuell abgestimmt werden. “Für manche ist eine langfristige Strategie ratsam, also eine schrittweise Entschuldung. Anderen hilft mehr ein schnelles, aber konsequentes Insolvenzverfahren”, so Fernandez.

Die Expertin wies daraufhin, dass sie als Beraterin auch die Interessen der Gläubiger im Blick behalten müsse. “Oft geht es auch aus deren Perspektive um Existenzen, wenn beispielsweise ein kleiner Betrieb auf seinen Auslagen sitzen bleibt. Wir sind Vermittler und versuchen immer, eine für beide Seiten gangbare Lösung zu finden”, so Fernandez.