Von der Arbeitsagentur bis zur Schulbank – der scheidende Antiziganismus-Beauftragte zieht zum Ende seiner Amtszeit eine kritische Bilanz. Auch der neue Koalitionsvertrag spart Sinti und Roma weitgehend aus.
Der scheidende Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, hat die anhaltende Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland beklagt. “Es gibt überall Antiziganismus, in allen Lebensbereichen. Auffallend ist, wie selbstverständlich er daherkommt, nach dem Motto ‘Man wird ja noch das Z-Wort benutzen dürfen'”, sagte er der “Frankfurter Rundschau” (Montag).
Nach Meinung Daimagülers findet sich Antiziganismus auch in staatlichen Institutionen. “Bei Arbeitsagenturen gibt es Handreichungen, wie man Arbeitsmigranten aus dem Balkan, die als Roma gelesen werden, vom Arbeitsmarkt fernhalten kann”, schilderte Daimagüler. Es gebe immer wieder Fälle von Polizeigewalt und Vorfälle an Schulen und Bildungseinrichtungen.
Irritiert äußerte sich Daimagüler über die Vernachlässigung dieser Bevölkerungsgruppe im Koalitionsvertrag von Union und SPD. “Alle Fortschritte der letzten Jahre sind das Resultat eines überparteilichen demokratischen Konsenses”, sagte der Regierungsbeauftragte. So werde im Koalitionsvertrag eine Verpflichtung zur Erinnerungskultur festgehalten, explizit bezogen auf die Schoah, den Völkermord an den Juden Europas. “Gerade viele jüngere Sinti und Roma haben den Eindruck, dass die Opfer des Völkermords an den Sinti und Roma Europas als Opfer zweiter Klasse behandelt werden und das kann ich gut nachvollziehen.”
Daimagüler war der erste Antiziganismusbeauftragte einer Bundesregierung. Seine Amtszeit endet mit der Wahl einer neuen Regierung, also voraussichtlich am Dienstag. Daimagüler sieht es als Erfolg an, dass Sinti und Roma ein Thema auf der politischen Agenda geworden seien. “Auch die Existenz meines Amtes hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich mehr Betroffene trauen, das, was sie erleben, auch zu artikulieren”, sagte er.