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Bamf-Chef polarisiert mit Vorstoß zu neuer Migrationspolitik

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat eine radikale Wende im Umgang mit Flüchtlingen gefordert. Dafür erntet er Gegenwind – aber auch Zustimmung.

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, hat mit seinem Vorstoß zu einer komplett anderen Migrationspolitik eine heftige politische Debatte ausgelöst. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies die Idee am Dienstag in Berlin zurück. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), zeigte sich hingegen offen dafür. Andere forderten Sommers Rücktritt.

Der Bamf-Chef hatte sich am Montag dafür ausgesprochen, den Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union vollständig auf humanitäre Aufnahmeprogramme für Schutzbedürftige aus dem Ausland umzustellen. Dafür sollten jeglicher individueller Anspruch auf Asyl und sonstige Schutzrechte entfallen. Sommer betonte dabei, dass er sich persönlich äußere und nicht als Behördenchef.

Humanitäre Aufnahmeprogramme seien “kein wirksames alleiniges Mittel, weil sie dadurch natürlich die Migration und Kriegsflüchtlinge ja nicht wegbekommen”, sagte Faeser zu dem Vorstoß. Deswegen mache das auch kein anderes Land.

“Das Asylrecht steht für die SPD nicht zur Disposition”, betonte die Innenministerin. Der Vorschlag Sommers würde nichts ändern, da Migration nicht aufhöre und auch Schleuser nicht aufhörten. Nötig seien daher Maßnahmen wie die Bekämpfung von Schleusern oder Grenzkontrollen. Man brauche keine “einfachen Vorschläge, die nicht weiterhelfen”, so Faeser.

CDU-Mann Frei, der auch Mitglied der Spitzengruppe in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ist, äußerte derweil Zustimmung für Sommers Vorstoß. “Dass ich diesem Vorschlag gegenüber eine gewisse Sympathie habe, das kann man schon daran sehen, dass ich diesen Vorschlag auch schon einmal unterbreitet habe”, sagte Frei im Frühprogramm von RTL/ntv.

Entscheidend sei nicht, welchen Weg man gehe, sondern das Ziel, das man ansteuere, so der CDU-Politiker. “Und das Ziel muss lauten: Ordnen, steuern und begrenzen.” In den vergangenen Jahren seien immer zwischen 240.000 und 350.000 Asylanträge in Deutschland gestellt worden. Mit der weiteren humanitären Migration, etwa mit den Geflüchteten aus der Ukraine, sei das für die Integration zu viel.

Innenministerin Faeser verteidigte hingegen die Migrationspolitik der vergangenen Jahre. Es sei gelungen, irreguläre Migration und Schleuser wirksam zu bekämpfen und zugleich die Zuwanderung von Fachkräften zu stärken. Im März habe es so wenig Asylgesuche gegeben wie zuletzt Anfang 2021 mitten in der Corona-Pandemie, so Faeser. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl 2024 um rund 111.000 gesunken, das sei mehr als ein Drittel.

Durch die seit Oktober 2023 schrittweise eingeführten Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen habe man die Zugangszahlen deutlich reduzieren können, so die Ministerin. Seitdem habe die Bundespolizei 86.000 unerlaubte Einreisen festgestellt und etwa 50.000 Menschen zurückgewiesen. Zudem seien mehr als 2.000 Schleuser festgenommen worden. “Wir haben die irreguläre Migration stark zurückgedrängt, trotz der Krisen und Kriege, die wir aktuell erleben”, sagte Faeser.

Der Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl, Karl Kopp, forderte Bamf-Chef Sommer zum Rücktritt auf. “Wenn ausgerechnet der Leiter einer der größten Asylbehörden der Welt das Asylrecht abschaffen will, sollte er seinen Hut nehmen.” Sommer lege “die Axt an das Völkerrecht und Europarecht”. Er habe unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass faire und rechtsstaatliche Asylverfahren aus seiner Sicht überflüssig und falsch seien.

Auch die flucht- und rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, forderte Konsequenzen: “Wer als Behördenchef die Kernaufgabe seines eigenen Amtes, individuelle Asylprüfungen vorzunehmen, für unzeitgemäß, überflüssig oder gar falsch hält, sollte von seinem Posten zurücktreten.” Sommers Vorschlag wäre “ein zivilisatorischer Rückschritt und eine Bankrotterklärung für die Menschenrechte”.