Schleswig. „Alle Menschen sind bei uns willkommen. Wir helfen in Reisefragen. Wir sind oft auf dem Bahnsteig präsent und sichtbar“: So lautete seit der Gründung 1997 das Selbstverständnis der Mitarbeiter der Schleswiger Bahnhofsmission. Doch damit ist es nun erst einmal vorbei, seit dem 1. Juni bleiben die Türen der Mission verschlossen – Ausgang ungewiss. Dabei haben alle anderen norddeutschen Bahnhofsmissionen gerade gefeiert: Seit 50 Jahren gibt es ihren Landesverband.
Der Freiburger Unternehmensberater Hubert Herr hatte den denkmalgeschützten Bahnhof 2013 ersteigert. Er kündigte an, daraus einen „Eventbahnhof“ mit Gastronomie und Kleinkunstbühne zu machen. Und er legte bereits los, während der Bauantrag schon gestellt, aber nicht genehmigt war. Folge war unter anderem deswegen ein behördlich verordneter Baustopp im Frühjahr 2017. Der Fall beschäftigt seitdem die Gerichte.
Und so ruhen nun die Arbeiten am Bahnhof. Den Fahrgästen bietet sich ein trostloses Bild mit Zäunen und Barrieren, die Toiletten sind verschlossen. Das alles beeinträchtigt auch die Tätigkeit der Bahnhofsmission immens. Die Räume wurden durch den Bauherren offiziell gekündigt, doch die Ehrenamtler setzten ihre Arbeit fort. Und das, obwohl die Heizung abgestellt wurde, man sich mit Heizlüftern behalf und keine Toiletten mehr zur Verfügung stehen. Zuletzt drohte auch die Abstellung von Strom und Wasser. Die Stadt Schleswig hatte als Zwischenlösung angekündigt, Container aufzustellen – doch passiert ist bislang nichts.
Was wird aus den Nebenkosten?
„Nun reicht es. Das sind keine Arbeitsbedingungen mehr“, sagt Thomas Nolte, Diakoniepastor im Kreis Schleswig-Flensburg. Das Diakonische Werk und die Caritas sind gemeinsame Träger der ökumenischen Bahnhofsmission. Und so haben die letzten vier verbliebenen Mitarbeiter jetzt zum vorerst letzten Mal die Tür zu ihren Räumen abgeschlossen, bereits angemeldete Reisehilfen wurden bei der Bahn storniert. Wie es weitergeht, ist offen.
Denn hinzu kommt, dass die Rahmenbedingungen für die Bahnhofsmission in einem möglicherweise künftig privat betriebenen Bahnhof ungeklärt sind. Zwar hat Investor Hubert Herr in seinen Umbauplänen Räumlichkeiten vorgesehen, offen ist aber die Frage der Nebenkosten. Bislang ist es so, dass die Bahn den Missionen die Räume zur Verfügung stellt, Strom und Wasser übernimmt. Die Träger tragen die Kosten für Ausstattung, Telefon, Fortbildungen und Fahrtkostenerstattung.
So reagiert die Diakonie
Die Bahn steht nun auf dem Standpunkt, dass der neue Käufer den gesamten Vertrag und damit auch die Verpflichtungen für die Bahnhofsmission übernommen hat. „Ich bin gerne bereit, Räume bereit zu stellen. Was die Nebenkosten angeht, sehe ich aber die Bahn in der Pflicht. Sie ist es doch, die vom Dienst der Mission profitiert“, hält Hubert Herr dagegen. Das Diakonische Werk Schleswig-Flensburg sieht sich aus rechtlichen und finanziellen Gründen nicht in der Lage einzuspringen. „Diese Frage muss zwischen dem Investor und der Bahn geklärt werden“, sagt Thomas Nolte.
Und so sieht es derzeit trübe aus um die Schleswiger Bahnhofsmission, zumal sich ihr langjähriger und engagierter Leiter Georg Niedziella zeitgleich aus seinem Amt verabschiedet hat. „Mir hat diese Aufgabe immer viel gegeben, aber nun ist Schluss“, hat der pensionierte Lehrer für sich entschieden. Viele Tage hat er an den Bahnsteigen verbracht, Umsteigehilfen geleistet, Radfahrer und Rollstuhlfahrer unterstützt, Flüchtlinge weitergeleitet, am Fahrkartenautomat beraten, Informationen über soziale Hilfsangebote gegeben oder einfach mal eine Tasse Kaffee gereicht.