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Auschwitz-Überlebende schauen bei Gedenkfeier zurück und warnen

Bei der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wird der Wert der Erinnerung betont – von Überlebenden und Spätergeborenen. Zum Ausklang der Feier wurde gebetet.

Mit einem Kaddisch-Gebet unter Leitung des polnischen Oberrabbiners Michael Schudrich ist die Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zu Ende gegangen.

Im Zentrum der Veranstaltung in der heutigen Gedenkstätte, an der viele Staatsoberhäupter mit ihren Delegationen und Vertreter verschiedener Organisationen teilnahmen, standen traditionell die Überlebenden. So rief der Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Marian Turski, dazu auf, sich mutig Verschwörungsmythen und Antisemitismus entgegenzustellen. Das gelte, wenn etwa gesagt werde, alles Böse in der Welt rühre von einer angeblichen Verschwörung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen her, zum Beispiel der Juden, so der 98 Jährige.

Die Zahl der Überlebenden, die noch an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen können, nimmt aus Alters- und Gesundheitsgründen von Jahr zu Jahr weiter ab.

Der Direktor des staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Piotr Cywinski, appellierte, die Erinnerung zu bewahren und Bildungsprogramme, die nur auf historische Fakten setzten, zu ändern. “Geschichte kann kein Trauma erzeugen, Erinnerung schon”, so Cywinski. Deshalb sei die Erinnerung der “Schlüssel zu der Welt von heute und zur Gestaltung der Welt von morgen”.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, prangerte Schweigen und Gleichgültigkeit gegenüber Antisemitismus an. “Es war das Schweigen der Welt, das zu Auschwitz geführt hat”, sagte Lauder bei der Gedenkveranstaltung. Auch heute sei Gleichgültigkeit zu beobachten – “wir dürfen aber nicht schweigen”. Das, was in Auschwitz und beim Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel geschehen sei, habe einen “gemeinsamen Faden”: den Hass gegen Juden über Jahrhunderte hinweg.

Zu Beginn des Tages hatte Polens Präsident Andrzej Duda als Gastgeber an den verbrecherischen Vernichtungsplan der Nazis erinnert. “Wie wir alle wissen, wurden die Konzentrationslager und vor allem die Vernichtungslager gebaut, um das jüdische Volk zu vernichten”, sagte Duda. Dies sei der verbrecherische Plan von Adolf Hitler und Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs gewesen.

Knapp 30 Staatsoberhäupter und 49 Delegationen nahmen an der Gedenkfeier in Oswiecim teil. Vertreter Russlands fehlten aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Aus Deutschland waren unter anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz (SPD) angereist.

Die aus den NS-Verbrechen erwachsende Verantwortung Deutschlands hört aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier nie auf. “Wir in Deutschland, wir vergessen nicht”, sagte das deutsche Staatsoberhaupt am Rande der Veranstaltung. “Erinnerung kennt keinen Schlussstrich und Verantwortung deshalb auch nicht”, so Steinmeier.

Im Vorfeld hatte Bundeskanzler Scholz dazu aufgerufen, sich besonders um eine Erinnerungskultur für die jüngere Generation zu bemühen. “Es muss uns bedrücken, wie viele junge Menschen in Deutschland kaum noch etwas über den Holocaust wissen”, sagte er mehreren Zeitungen.

Weltweit wurde mit Gedenkveranstaltungen, Lesungen und auch mit digitalen Aktionen in sozialen Netzwerken der Opfer gedacht, so etwa in der ukrainischen Hafenstadt Odessa, wo sich mehr als 200 Personen, darunter Überlebende sowie Schülerinnen und Schüler, in einem Park versammelten und vor einem Mahnmal Blumen niederlegten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war bei der Gedenkfeier in Auschwitz zugegen.

Die Rote Armee hatte das NS-Lager Auschwitz-Birkenau in dem von Deutschland besetzten Polen am 27. Januar 1945 befreit. Weltweit wird an diesem Tag der Opfer des Holocaust und der Nationalsozialisten gedacht. Die Zahl der in Auschwitz und im dazugehörigen Vernichtungslager Birkenau ermordeten Menschen wird auf etwa 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen geschätzt. Die große Mehrheit der dorthin Deportierten waren Jüdinnen und Juden. Das Lager nahe der polnischen Kleinstadt Oswiecim in der Nähe von Krakau war das größte Konzentrationslager der Nazis.