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Aufarbeitung: Daub regt Kommission zu Corona-Zeit in der Pflege an

In der Aufarbeitung der Folgen aus Corona-Krise für die Pflege schlägt der Vorsitzende der Dachstiftung Diakonie, Hans-Peter Daub, eine Enquete-Kommission vor. Wichtig wäre, dass dabei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Politik Seite an Seite arbeiten, sagte Daub im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hannover. Vor allem die zeitweilig geltende Impfpflicht für Pflegepersonal habe nachhaltigen Schaden angerichtet. „Das war eine absolut tiefe Kränkung der Pflegenden.“

Die Langzeitpflege und auch die Pflegewissenschaften seien in der Corona-Politik kaum gehört worden, kritisierte Daub. Sie hätten keine Lobby gehabt und die Mitarbeitenden in der Pflege hätten schließlich herhalten müssen, nachdem eine allgemeine Impfpflicht als ein zu tiefer Einschnitt in die Grundrechte gescheitert sei. Dabei sei die Impfquote in der Pflege mit zwischen 85 und 90 Prozent bereits hoch gewesen.

Mit der von Mitte März bis zum Jahresende 2022 geltenden Impfpflicht waren Betretungs- und Beschäftigungsverbote für nicht Geimpfte in den Pflegeeinrichtungen vorgesehen. Daub betonte, die Dachstiftung als einer der größten Altenhilfeträger in Niedersachsen habe niemanden entlassen. „Wir haben gesagt, wenn wir Betretungsverbote kriegen, werden wir für euch Lösungen finden.“ Allerdings habe die Impfpflicht dazu geführt, dass einzelne Mitarbeitende von sich aus der Pflege den Rücken gekehrt hätten.

Was es bedeutet habe, im Pflegealltag mit Corona umzugehen, sei auf der politischen Bühne wenig präsent gewesen, sagte der Theologe. „Als es dann die ersten 100-Jährigen gab, die Corona überstanden haben, wollte das erst niemand hören. Es blieb einfach immer bei dem gleichen Verdikt, wir müssen die Vulnerablen schützen“, kritisierte er. „Bei denen, die ihnen am nächsten waren, da wurde dann keine Rücksicht genommen auf elementare Bürgerrechte, die mussten geimpft werden.“

Daub erinnerte auch an zeitweise geschlossene Heime und Besuchsverbote. „Das war im Grunde ein Skandal, über Monate das Zuhause von Menschen abzuschließen und ihre Freizügigkeit mit Eingangskontrollen zu unterlaufen“, sagte er. „Das hat die Lebensfreude in den Einrichtungen nachhaltig beschädigt.“

Für die Aufarbeitung könne er sich auch eine repräsentative Befragung von Pflegekräften gut vorstellen, sagte Daub. „Ich fände es super, wenn eine Enquete Kommission aus politisch Verantwortlichen und wissenschaftlicher Expertise aufarbeitet, wie das erlebt wurde.“ Ziel müsse es sein, daraus zu lernen.

Die Diakonie arbeite unter anderem mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen weiter daran, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, sagte er. Dazu diene auch das mit EU-Geldern geförderte Projekt „Rückenwind“, in dem Teams aus der Pflege selbst ihre Arbeit reflektierten und Standards erarbeiteten, um den Pflegealltag zu verbessern. „Dass man mit den Pflegekräften selbst in den Dialog kommt, ist viel zu selten vorgesehen.“