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Armutsquote durch Wohnkosten höher als gedacht

Laut einer Studie der Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes leben deutlich mehr Menschen als bisher angenommen in Armut – wenn die Wohnkosten berücksichtigt werden. Die steigenden Mieten belasteten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen überproportional, teilte der Verband mit Sitz in Berlin mit. Viele Haushalte müssten inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben, manche mehr als die Hälfte. Bei Berücksichtigung der Wohnkosten liege Bremen mit einer Armutsquote von 29,3 Prozent an der Spitze. Niedersachsen liege mit 21,8 Prozent im bundesweiten Mittelfeld.

Die Ergebnisse basieren nach Angaben des Paritätischen auf einer Sonderauswertung durch das Statistische Bundesamt. Sie berücksichtigt erstmals die verfügbaren Einkommen nach Abzug der Wohnkosten mit Warmmiete und Strom.

Durch die Berücksichtigung von Wohnkosten werde eine bislang unsichtbare Gruppe von 5,4 Millionen Menschen in Deutschland sichtbar, die an und unter der Armutsgrenze lebe, hieß es. Nicht 12,1 Millionen (14,4 Prozent), sondern 17,5 Millionen Menschen (21,2 Prozent) müssten demnach als arm gelten. Nach der Definition des statistischen Amtes der EU (Eurostat) liegt eine Überbelastung vor, wenn die Wohnkosten für die Personen in dem Haushalt 40 Prozent ihres Einkommens überschreiten.

Ein-Personen-Haushalte und Alleinerziehende sind der Studie zufolge besonders betroffen. Mehr als ein Drittel der Alleinstehenden (37,6 Prozent) seien wohnkostenbereinigt arm. Auf alleinstehende Frauen treffe dies häufiger zu als auf Männer. Vier von zehn alleinstehenden Frauen seien arm (40,4 Prozent). Bei alleinstehenden Menschen im Alter von 65 oder mehr Jahren gelten nach den neuen Berechnungen 41,7 Prozent als arm.

Noch deutlicher zeige sich der Einfluss der Wohnkosten bei den Alleinerziehenden-Haushalten, hieß es weiter. Unter Berücksichtigung dieser Kosten seien von ihnen 36 Prozent arm – ohne die Wohnkosten liege die Quote etwas mehr als zwölf Prozentpunkte darunter.

„Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zum Armutstreiber“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock. Er forderte eine ambitionierte Wohnungspolitik und eine Begrenzung der Wohnkosten. Das betreffe insbesondere die Ende 2025 auslaufende Mietpreisbremse. Falle sie weg, drohten massive Preissteigerungen in den angespannten Wohnungsmärkten.