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ARD-Serie “Die Toten von Marnow 2” begeistert auf allen Ebenen

Die Thriller-Serie “Die Toten von Marnow 2 – Finsteres Herz” spinnt geschickt Erzählfäden aus der ersten Staffel weiter und findet doch ihren ganz eigenen Weg. Ein spätes Highlight im Serienjahr 2024.

“Die Toten von Marnow 2 – Finsteres Herz” unterlaufen mit Vehemenz die Erwartung einer bloßen Fortsetzung. War es in Staffel 1 brüllend heiß in Mecklenburg-Vorpommern, ist es jetzt bitterkalt. Endeten “Die Toten von Marnow” als Thriller, so startet “Finsteres Herz” ebenso. Ein mörderischer Showdown lässt die Kriminalhauptkommissare Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) und Frank Elling (Sascha Alexander Gersak) schwer verletzt im Koma zurück.

Das ruft die Sonderermittler Maja Kaminski (Sabrina Amali) und Hagen Dudek (Bernhard Conrad) auf den Plan. Sie übernehmen den rätselhaften Fall um das zwölfjährige Waisenmädchen Sarah (Greta Kasalo). Mit gelöschten Akten und Dudeks verborgener Agenda wird ihre Suche nach der Wahrheit und den Verantwortlichen zu einem gefährlichen Spiel, mit Sarah im Zentrum – und in höchster Lebensgefahr.

Sieht doch nach einer Fortsetzung der grandiosen Premiere aus? Nicht mit Autor Holger Karsten Schmidt, der die fesselnde Geschichte in zwei parallelen Erzählsträngen entwickelt. Da ist einmal das Duo Mendt/Elling und zum anderen das Duo Kaminski/Dudek. Letzteres muss bei den Ermittlungen wieder bei null anfangen und erst wieder dorthin kommen, wo Mendt/Elling schon angelangt waren. Ein Puzzlespiel, dessen einzelne Teile ihren Platz finden müssen, um sich dann zu einem schlüssigen Bild zusammenzufügen.

Ein komplexes, zuweilen kompliziertes Erzählprinzip als erhebliche Herausforderung für das Publikum, das hier – anders als sonst oft – erfreulich ernst genommen wird. Von Beginn an muss die Konzentration hoch sein für die Zeitsprünge, für das Vexierspiel der Zeitebenen und Protagonisten. Aber Holger Karsten Schmidt wäre nicht der Krimimeister par excellence, wenn er nur aufs labyrinthische Hinter-die-Tanne-Führen setzte.

Seine Spannung kommt aus dem Fall, seiner Thematik – Kindesmissbrauch und Menschenhandel bis zum Mord -, aus der schwelenden Frage, wer in Schweriner Polizeikreisen aus welcher Motivlage heraus handelt – und schließlich aus dem Eigenleben der Figuren, vorneweg Lona Mendt und Frank Elling.

Die Kommissarin erscheint zunächst wie die wandelnde Tote aus der ersten Staffel. Der Verlust der beiden Kinder und des Ehemannes, die Vergewaltigung lassen sie nur funktionieren. Aber der Fall von Sarah setzt neue Energie frei, sprengt den Seelen-Panzer und bahnt dem einen Wunsch und Willen Bahn: Sarah zu retten.

Frank Elling hat seinen Swimmingpool fertig gebaut, die Frau ist weg, dafür ist die demente Mutter ins Haus gekommen. Mendt und Elling halten sich wie zwei Buchstützen gegenseitig aufrecht. Profitierte im Erstling der Kommissar von der Kommissarin, so geht es in der neuen Staffel in die Gegenrichtung. Petra Schmidt-Schaller und Sascha Alexander Gersak geben ihren Figuren wieder diese individuelle Ausstrahlung und Ausstattung.

Und beileibe sind es nicht nur die Handlungen und die Dialoge, es sind die Zwischenräume, die Pausen, in denen die Kommissare als Menschen agieren. Das ist so profund und derart aus der Tiefe der Figuren-Biographie gespielt, dass es in den Bann zieht. Und natürlich zeigt sich auch die schauspielerische Klasse von Sabrina Amali und Bernhard Conrad als Sondermittler-Team Kaminski und Dudek.

Holger Karsten Schmidt hat das beeindruckende und unkonventionelle Drehbuch geschrieben. Und es ist ein Glück, dass Andreas Herzog wieder die Inszenierung dafür übernommen hat. Was zwischen den Zeilen gesagt wird, erscheint oft wichtiger als der gesprochene Text. Und es spricht für Herzogs Können, dass die Übergänge, die Sprünge zwischen den Ebenen so gelungen, so glatt wirken wie ein fugenlos zusammengefügtes Puzzle.

Die Menschen in “Finsteres Herz” suchen Schutz vor der klirrenden Kälte. Sie sehnen sich nach Licht und Wärme. Kamerafrau Claire Jahn schafft es, das visuelle Konzept wie einen roten Faden durch die Serienfolgen zu ziehen. Bitte mehr davon!

“Die Toten von Marnow 2” sind ein derartiges Gesamtkunstwerk aus öffentlich-rechtlicher NDR-Hand, dass von einem, vielleicht sogar von Höhepunkt des Serienjahres 2024 gesprochen werden kann.