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ARD-Dokumentation als leises Filmwerk über das Muttersein

Mit dem Thema Mutterschaft als ambivalente Erfahrung, befasst sich ein ungewöhnlicher ARD-Dokumentarfilm, in dem Schauspielerin Anke Engelke beispielhaft acht Frauen verkörpert.

Für die einen gilt es als größtes Glück, für andere als extreme Herausforderung. Laut einer Studie entspricht das Muttersein 2,5 Vollzeitjobs. Rund um die Uhr arbeiten, aber dafür keinen Lohn erhalten, das würden wohl die wenigsten tun – Mütter machen es dennoch. Mit dem Thema Mutterschaft befasst sich der ARD-Dokumentarfilm “Mutter”. In dem 90-minütigen Beitrag taucht Anke Engelke am 12. August ab 23.35 Uhr in das Leben von acht Frauen ein.

Gezeigt wird Muttersein als Wechselbad der Gefühle. Schauspielerin und Komikerin Engelke ist selbst Mutter von drei Kindern. Dem komplexen Thema widmet sie sich ernsthaft; erzählt von Freude und Zweifel, Macht und Ohnmacht, auch Wut und Liebe. Die Grundlage für den Film vom Westdeutschen Rundfunk ist indes dokumentarisch: Acht Frauen zwischen 30 und 75 wurden per Zeitungs-Annoncen von der Kölner Filmemacherin Carolin Schmitz gecastet, um Auskunft über ihr Leben und Muttersein zu geben. Allen gemeinsam ist die Erkenntnis, dass Mutterschaft eine höchst ambivalente Erfahrung sein kann.

Schmitz ist die Freundin einer Freundin von Engelke. Engelke hatte schon von ihr und ihren Arbeiten gehört und war direkt an der Zusammenarbeit interessiert. Statt die acht Frauen selbst im Bild zu zeigen, verwendete die 57-jährige Filmemacherin einen Kunstgriff: Anke Engelke schlüpft dabei in die Rolle einer fiktiven Mutterfigur.

Die Stimmen der Frauen werden Engelke in den Mund gelegt – für die Schauspielerin eine ganz besondere Herausforderung: “Das war schon neu und fremd und stressig, Texte nicht nur wortwörtlich auswendig zu lernen, sondern auch synchron zu sein, jeden Atmer, jede Pause, jeden Versprecher mitsprechen zu können”, erklärt sie der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die 58-Jährige vermutet, durch diese Arbeit gelernt zu haben, in ihrem Spiel noch präziser zu sein. Mal sieht man sie in der Badewanne sitzend, dann wieder in der Waschstraße oder in einem Kostümfundus. Zugleich lädt der Film ein, den eigenen, abweichenden Assoziationen zum Thema Mutter nachzugehen.

“Was meine Herangehensweise angeht, habe ich mich sehr auf Carolin Schmitz’ Regie verlassen können, da sie mich immer wieder eingenordet hat und so wenig Schauspiel wie möglich sehen wollte, damit das Gesagte seine Kraft behält”, beschreibt Engelke diese für sie eher ungewöhnliche Arbeit.

Auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig kommt auch diese ARD-Dokumentation daher. Denn wo – außer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – ist so ein leises Filmwerk mit langen Einstellungen und auch mal Sprechpausen nur schwer vorstellbar. Wer sich aber darauf einlässt, der geht mit Anke Engelke und den acht Frauen, die “unsichtbar” im Hintergrund bleiben, durch alle möglichen Höhen und Tiefen des Mutterseins. “Dass mir der Film so wichtig ist, hat nichts damit zu tun, dass ich Mutter bin”, erklärt Engelke. “Würde ich so ticken, würde ich also nur erfahrungsbasiert oder biografisch arbeiten, würden mir tolle Rollen durch die Lappen gehen!”

Am Ende dieses filmischen Wechselbades der Gefühle bleibt – allen mütterlichen Erfahrungswerten zum Trotz – die Erkenntnis der fiktiven Figur: “Was möchtest du jetzt eigentlich mit 28? Ich möchte einen Mann, der mich liebt, und ein Kind – mindestens eins …”.

Über die eigene Mutter und als Frau auch über sich selbst nachzudenken – diese ungewöhnliche Dokumentation regt dazu an. Alle seien eingeladen, sich in die Leben und Köpfe dieser Mütter zu begeben, findet Engelke: “Das ist für mich das Aufregende an dem Film, dass man eintaucht, wegtaucht, und mit neuen Gedanken wieder auftaucht.”