Wenn ein Elternteil inhaftiert wird, ist das für Kinder oft traumatisch. Die Kieler Stadtmission hat nun in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium Schleswig-Holstein ein Online-Beratungsangebot entwickelt, das Familien von Inhaftierten unterstützen soll. “Meistens sprechen wir in so einer Situation über die Erwachsenen”, erklärte Kerstin von der Decken, Ministerin für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein, in Kiel. “Dabei haben Inhaftierte oft Kinder.”
Das Angebot richtet sich laut Stadtmission an Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren. Auf der Internetseite finden sie Antworten zu häufig gestellten Fragen. Von Montag bis Donnerstag von 15.00 bis 17.00 Uhr sind anonyme Chats mit Sozialpädagogen möglich. Außerhalb des Zeitfensters können Kinder Fragen in einem anonymen Registrierungsbereich stellen, ohne Angabe der Mailadresse. Die Stadtmission verspricht, innerhalb von 24 Stunden zu antworten.
Angst vor Stigmatisierung
“Kinder von Inhaftierten haben oft Angst vor Stigmatisierung”, sagte Sebastian Rehbach, stellvertretender Leiter der Kieler Stadtmission. “Mit der Webseite hoffen wir, Hemmschwellen abzubauen.” Seit 2018 berät die Stadtmission Kinder von Inhaftierten – bislang aber nur persönlich, etwa indem sie Kinder in die Justizvollzugsanstalten begleitet. Meistens kommen Mädchen und Jungen über die Eltern auf die Stadtmission zu. Direkte Anfragen gab es laut Stadtmission bislang keine.
Deutschlandweit setzen sich Hilfsinitiativen für die Beratung von Inhaftierten ein. Die Stadtmission Kiel ist Mitglied des Netzwerks Kinder von Inhaftierten. Beteiligt sind in Norddeutschland auch die Gemeinschaft für soziale Therapie und Pädagogik in Rostock und die Hamburger Kinder- und Jugendhilfe. Bislang gibt es aber nur wenige Anlaufstellen mit Online-Angeboten für Kinder. Eine Ausnahme ist der Verein Treffpunkt in Nürnberg: Auf der Webseite www.juki-online.de können sich Betroffene ebenfalls anonym online beraten lassen.
Etwa 100.000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen
Nach Schätzungen des Netzwerks Kinder von Inhaftierten sind deutschlandweit 100.000 Mädchen und Jungen von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen. Etwa 500 bis 1.000 von ihnen leben von der Decken zufolge in Schleswig-Holstein. Nach dem Bundesgesetz steht Angehörigen mindestens eine Stunde Besuchszeit pro Monat zu, allerdings keine psychologische Hilfe. Die Onlineberatung von Kindern Inhaftierter ist laut Stadtmission ein freiwilliges Projekt.