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Anders leben – wir sind dabei!

Rund eine Million Menschen werden 2017 bei der Parade des Christopher Street Day (CSD) in Berlin für die Rechte von Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgendern, Inter- und Bisexuellen auf die Straße gehen. Erstmals beteiligt sich die Evangelische Kirche in Berlin mit einem eigenen Wagen. Mit welcher Botschaft? Ein Titelkommentar von Ulrike Trautwein, Generalsuperintendentin des Sprengels Berlin.

Von Ulrike Trautwein

Die Parade beim Christopher Street Day ist immer ein fröhliches Fest, das die Liebe und die Vielfalt des Lebens feiert. Dieses Mal ist die Evangelische Kirche Berlins zum ersten Mal mit einem eigenen Wagen dabei. Wir wollen mitfeiern – und mitdenken. Feste geben uns die Chance, Momente zu erleben, in denen uns besonders bewusst wird, was das Leben ausmacht. Gut zu feiern, bedeutet immer auch, Zusammenhänge zu sehen.Der CSD hat eine doppelte Botschaft. Neben der Feier des Lebens ist der CSD auch eine Demonstration. Er will die Vielfalt des Leben stärken gegen Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Das hat einen historischen Hintergrund. Der CSD erinnert an das erste bekannt gewordene Aufbegehren von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street in Greenwich Village am 27. Juni 1969. Daraus ging der Christopher Street Day hervor. Er gab das Stichwort zur Entstehung der internationalen Kampagne für die Rechte der homosexuellen Menschen, die bis heute begangen wird. Die Evangelische Kirche setzt mit ihrer Teilnahme am CSD in Berlin ein deutliches Zeichen. Gemeinsam mit den Demonstranten gehen wir in die Öffentlichkeit und zeigen: Wir leben vielfältig, nicht nur in der klassischen Lebensform der Heterosexualität. Die Kernbotschaft unseres Trucks auf dem CSD lautet: Trau Dich! Damit werben wir für die kirchliche Trauung für alle, für ein dauerhaftes Miteinander vor Gott in wechselseitiger Verantwortung auf der Basis liebenden Vertrauens! Für uns in Berlin mag das heute nichts Ungewöhnliches mehr sein. Aber wir setzen uns dafür ein, dass überall anerkannt wird: Wir Menschen leben und lieben auf vielfältige Weise. Lange Zeit war das nicht so. Bis heute fehlt es in vielen Kulturen und Ländern an dieser Anerkennung und auch in Deutschland ist sie nicht überall selbstverständlich. Auch bei uns gibt es Gewalt gegen schwule Männer und lesbische Frauen. Das ist leider noch schreckliche Realität.Auch in der Kirche ist es noch nicht so lange her, dass es zumindest nicht einfach war, zum Beispiel als homosexueller Mann oder lesbische Frau ins Pfarramt zu gehen. Aber das ist eine Haltung, die unsere Kirche hinter sich gelassen hat. Gerade deshalb finde ich es wichtig, dass wir an diesem Tag mit dabei sind. Wir senden damit das deutliche Signal besonders auch an die älteren Schwulen und Lesben, die noch durch ihre eigene Kirche diskriminiert wurden: Wir gehen heute einen anderen Weg. Den früheren schuldhaften Umgang mit homosexuellen Menschen hat die Kirche verlassen. Wir sehen heute, dass er menschenverachtend und falsch war. Wir haben etwas gelernt und verabschieden uns von der ausschließenden Festlegung auf eine heterosexuelle Lebensführung. Mit der Gleichstellung der Trauung haben wir das deutlich gemacht. Das diesjährige Motto heißt: „Mehr von uns – jede Stimme gegen Rechts“. Der CSD wird 2017 verbunden mit einem Protest gegen eine rechtspopulistische Ideologie, die gleichgeschlechtlich liebende Menschen und Transgender ausgrenzt und das traditionelle Familienbild für exklusiv erklärt. Auch in dieser Hinsicht steht die Evangelische Kirche in Berlin an der Seite der Demonstranten. Ein Menschenbild, in dem so viel Verachtung gegenüber anders lebenden Menschen mitschwingt, schadet einem guten Zusammenleben in unserer Stadt.Wahrscheinlich gibt es in der Kirche Kritik an dieser Aktion. Die gehört in einer lebendigen Gemeinschaft dazu. Aber gerade deshalb ist es uns als Evangelischer Kirche wichtig, von unserer Mitte, von Jesus Christus her zu denken. Und für offene Arme zu werben, für Weite und Akzeptanz gegenüber anderen Lebensformen neben der traditionellen Familie. Nirgends verweigert sich Jesus den Menschen, die dem Mainstream nicht entsprechen. Bei ihm sind alle willkommen, die nach dem guten Leben suchen!

Am 21. Juli, 18 Uhr, lädt der Kirchenkreis Berlin Stadtmitte zu einem multireligiösen Gottesdienst in die St. Marienkirche am Alexanderplatz ein. Am 22. Juli ab 12 Uhr startet der CSD.

Infos: www.kkbs.de/csd2017