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Altpräsident Gauck: Erinnerung an Volksaufstand verpflichtet zur Solidarität

Vor 70 Jahren rollten in der DDR sowjetische Panzer gegen Demonstranten und Streikende. Zum Jahrestag des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 ziehen Politiker eine Verbindung zur friedlichen Revolution.

Altbundespräsident Joachim Gauck beim Kirchentag in Nürnberg
Altbundespräsident Joachim Gauck beim Kirchentag in NürnbergImago / epd

Altbundespräsident Joachim Gauck hat zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR zur Solidarität mit Freiheitsbewegungen in anderen Ländern aufgerufen. Aus der Erinnerung an den niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR erwachse heute die Verpflichtung, solidarisch mit denen zu sein, die wie etwa im Iran oder in Belarus für ihre Freiheit kämpfen, sagte Gauck am Donnerstag bei einer Gedenkstunde von Berliner Senat und Abgeordnetenhaus. „Auch dort, wo wir nicht leben, sind wir gefordert zur Solidarität“, unterstrich das ehemalige Staatsoberhaupt.

Dabei warb Gauck für eine größere öffentliche Beachtung der Ereignisse rund um den 17. Juni 1953: „Dieses Land nimmt seine Freiheitsgeschichte zu wenig wahr.“ Bislang seien der Jahrestag und die Opfer des Volksaufstandes kein Teil des kollektiven Gedächtnisses. „Wir halten Freiheit für das Selbstverständliche und vergessen die Kämpfe und Sehnsucht derer, die sie nicht erringen konnten.“ Dabei stehe fest: „Deutsche können Freiheit“, sagte er mit Blick auf den Mauerfall von 1989.

Der Wunsch nach Freiheit

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte den Volksaufstand eine „Sternstunde der deutschen Freiheitsgeschichte“. Der 9. November 1989 wäre ohne den 17. Juni 1953 nicht möglich gewesen. „Proteste kann man niedergeschlagen, Menschen kann man einsperren, aber den Wunsch nach Freiheit und Demokratie kann man nicht wegsperren“, sagte der CDU-Politiker.

Vor 70 Jahren streikten im Juni in Ost-Berlin Bauarbeiter, zunächst um gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen zu protestieren. Am 17. Juni 1953 und zum Teil auch danach folgten zahlreiche Streiks in Betrieben und Demonstrationen in mehr als 700 Städten und Gemeinden der DDR. Die Menschen forderten den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen sowie die Einheit Deutschlands. Rund 250 öffentliche Gebäude wurden besetzt. Die Proteste wurden von der sowjetischen Armee niedergeschlagen. Mindestens 55 Menschen starben nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung. Rund 10.000 wurden demnach festgenommen.

Die unvollendete Revolution

Wegner würdigte bei der Gedenkveranstaltung den Mut der Frauen und Männer, die vor 70 Jahren auf die Straße gegangen waren. Nur mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht habe das SED-Regime seine Macht sichern und den Aufstand blutig niederschlagen können. Die unvollendete Revolution von 1953, das Streben nach Demokratie und Freiheit, sei von den Revolutionären von 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer friedlich beendet worden.

Berlins Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) erklärte, der Volksaufstand in der DDR vor 70 Jahren sei auch von einer Sehnsucht nach Freiheit und nationaler Einheit getragen worden. „An die Menschen zu erinnern, die damals dafür kämpften und starben, macht deutlich, dass weder die Freiheit noch die Selbstbestimmung in unserem Land von jeher selbstverständlich waren“, erklärte Seibeld.

Der Bundestag erinnert am Freitag an den Volksaufstand vor 70 Jahren. Am Samstag gibt es eine Gedenkveranstaltung der Bundesregierung am Mahnmal für die Opfer des Volksaufstandes auf dem Friedhof an der Seestraße im Stadtteil Wedding.