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Afghanistan-Ausschuss bemängelt fehlende Zusammenarbeit

Viele Versäumnisse zeigt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusse zu Afghanistan. Die Ministerien waren sich nicht einig, der BND schätzte die Stärke der Taliban falsch ein.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan lief geordnet, sagt der Untersuchungsauschuss
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan lief geordnet, sagt der UntersuchungsauschussImago / Star-Media

Eine fehlerhafte Lageeinschätzung, Uneinigkeit zwischen den Ministerien und zu viel Bürokratie beim Ortskräfteverfahren: Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses Afghanistan, der am Dienstag dem Bundestag übergeben wurde, zeigt viele Versäumnisse der Bundesregierung beim Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan auf. Trotz unterschiedlicher Perspektiven der Fraktionen sei man mit Ausnahme der AfD-Fraktion zu gemeinsamen Ergebnissen gekommen, sagte der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD).

Der Abzug der Bundeswehr nach dem rund 20-jährigen Einsatz ist laut Stegner trotz lang andauernder Unklarheit über den genauen Zeitpunkt „geordnet“ verlaufen. Während der Evakuierungsmission zwischen dem 16. und dem 27. August 2021 hatte die Bundeswehr insgesamt 5.347 Personen aus 45 Nationen aus Kabul ausgeflogen. Allerdings hat Stegner zufolge während der sich verschärfenden Krise eine gemeinsame Lageanalyse der beteiligten Ressorts der Bundesregierung gefehlt. Zwar hatte der Bundesnachrichtendienst die Lage in Afghanistan korrekt eingeschätzt, aber nicht die Geschwindigkeit, mit der die Taliban das Land zurückeroberten.

Afghanistan: Nationaler Sicherheitsrat gefordert

Der stellvertretende Vorsitzende Thomas Erndl (CSU) hält es deshalb für notwendig, künftig auch mögliche andere Szenarien auszuarbeiten, damit alle Beteiligten besser vorbereitet sind. Ebenso wie die FDP-Fraktion fordert die Unions-Fraktion einen nationalen Sicherheitsrat, der die einzelnen Lagebilder zusammenfasst und eine Richtung vorgibt. Die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni sieht das Problem woanders: Es habe nicht an Foren für einen Austausch gefehlt, vielmehr habe es „ganz massiv an politischer Führung gemangelt“.

Ralf Stegner (SPD) hat den Afghanistan-Untersuchungsausschuss geleitet
Ralf Stegner (SPD) hat den Afghanistan-Untersuchungsausschuss geleitetImago / Sven Simon

Der Abschlussbericht kritisiert außerdem den Umgang mit den afghanischen Ortskräften. So ist es nach Einschätzung der SPD-Fraktion den Ressorts nicht gelungen, frühzeitig angemessene Verfahren und Notfallpläne für die lokalen Kräfte zu entwickeln, die für die Bundeswehr und andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten. Nach Ende der Luftbrücke im August 2021 blieben Tausende zurück oder konnten erst zu einem späteren Zeitpunkt ausreisen.

Zudem habe es damals vor allem im Innenministerium Abwägungen zwischen Sicherheitsinteressen und der Fürsorgepflicht gegeben, die Stegner zufolge „zu bürokratisch“ ausgefallen sind. Endl hingegen verteidigte das damalige Bestehen des Innenministeriums auf eine individuelle Sicherheitsüberprüfung. Diese habe sich auch im Nachhinein als richtig bewiesen.

Afghanistan: Fraktionen einig – bis auf die AfD

Der am 13. Februar beschlossene, rund 1.400 Seiten umfassende Bericht enthält neben einem gemeinsamen Verfahrens- und Feststellungsteil fünf Fraktionsvoten anstelle eines üblichen gemeinsamen Bewertungsteils. Abgesehen vom Votum der AfD-Fraktion enthalten die übrigen Voten in den Kernaussagen ähnliche Schlussfolgerungen.

Der im Juli 2022 eingesetzte Untersuchungsausschuss sollte die Umstände des Bundeswehr-Abzugs aus Afghanistan und der militärischen Evakuierungsaktion aus Kabul im August 2021 aufklären. Die radikalislamischen Taliban hatten damals nach dem Abzug der internationalen Truppen überraschend schnell die Hauptstadt zurückerobert. Der Untersuchungsausschuss vernahm insgesamt 111 Zeuginnen und Zeugen, darunter Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Nachfolger Olaf Scholz (SPD), der im Sommer 2021 Vizekanzler und Finanzminister war.