So kann es einfach nicht weitergehen. Egal, wie man den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen interpretiert, ob man bestürzt ist oder erleichtert, weil es ja noch viel schlimmer hätte kommen können: Die Ergebnisse sind Alarmsirenen. Deren Schrillen dürfen wir nicht überhören. Die deutsche Politik muss sich jetzt neu sortieren. Und auch wir, die Bürgerinnen und Bürger, müssen umdenken. Denn mit dem weiteren Erstarken der AfD zieht eine Katastrophe auf, die wir – wenn auch nur irgend möglich – verhindern müssen. Unbedingt. Aber egal, was wir bisher getan haben: Es reicht ja offenbar nicht. Vielleicht sind wir dabei auch falsche Wege gegangen. Vielleicht müssen wir noch einmal ganz neu überlegen – und dabei auch dahin gehen, wo es uns schmerzt.
Was, wenn wir es falsch angepackt haben? Diese Frage stellte Barack Obama, als 2016 das bis dahin Undenkbare geschah und mit Donald Trump ein ausgewiesener Wirrkopf, Lügner und erkennbarer Anti-Demokrat die Präsidentschaftswahlen in den USA gewann. Darauf weist die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel völlig zurecht hin. Alle Versuche, mit Vernunft und Argumenten, und wo das nicht reichte mit heiliger Empörung, das Erstarken des Trump-Lagers auszubremsen, hatten am Ende nicht gereicht. Und auch jetzt, Ende 2024, ist ein erneuter Triumph Trumps über Vernunft, Anstand und Empörung immer noch möglich.
Nicht nur in Sachsen und Thüringen: Überall in Europa erstarkt der Rechtspopulismus
Da drängen sich die Parallelen zum Erfolg der AfD in Deutschland geradezu auf. Überall in Europa erstarkt der Rechtspopulismus, gewinnt gefährlich an Boden. Wenn das so weitergeht, ist die liberale, rechtsstaatliche, demokratische Gesellschaft in allergrößter Gefahr. Und wir, die liberale Gesellschaft, finden kein probates Gegenmittel.
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„Empört euch!“, das ist bislang der Kampf-Slogan der liberalen Gesellschaft. Und ja, das ist ja auch richtig. Empörung heißt, rote Linien ziehen, Grenzen aufzeigen: Bis hier hin – und keinen Schritt weiter!
Nur – was ist, wenn das nicht reicht?
Nach den Landtagswahlen: Mit den Leuten reden – ohne ihnen Recht zu geben
Umdenken, neue Wege finden. Es ist billig, das zu fordern, wenn man keine Vorschläge beisteuern kann. Deshalb: Vielleicht ist ja wirklich die Empörung der Schlüsselpunkt. Wieviel Empörung muss sein? Und wo ist sie zu schnell da? Denn sich über jemanden empören heißt auch: ihn oder sie als ernstzunehmenden Gesprächspartner auszuschließen. Das mag man ja am liebsten wollen – aber wie soll man dann erreichen, dass diese Menschen ihr Kreuz bei den nächsten Wahlen dann bitteschön NICHT an der falschen Stelle machen?
Mit den Leuten reden, ihre Anliegen, Sorgen, Vorurteile, auch ihren Hass, ernst nehmen – ohne ihnen Recht zu geben. Das könnte ein Spagat werden, der über die Schmerzgrenze hinausgeht. Das mag man für schlüssig halten oder nicht. Aber wenn der bisherige Weg nicht weiterführt, muss man auch über einen Richtungsänderung nachdenken dürfen.