Der Schock ist nicht überwunden. Seit der Abwicklung der US-Auslandshilfen durch Präsident Donald Trump im Januar ringen die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt mit den Folgen. Malaria-Programme sind bedroht, Menschen mit einer HIV-Infektion wissen nicht, ob sie in den nächsten Wochen noch an ihre Medikamente kommen.
Der Politikwissenschaftler Stephan Klingebiel spricht von einem massiven Einschnitt. „Das Geld fehlt massiv und das merkt man an allen Ecken und Enden“, sagt der Forscher vom auf entwicklungspolitische Fragen spezialisierten IDOS-Institut in Bonn. Vor einer „Zerreißprobe“ für das humanitäre Hilfssystem warnt auch die Denkfabrik CHA in einer aktuellen Analyse.
Zahlen untermauern die Erschütterung. Laut Schätzungen des „Center for Gobal Development“ sicherten die US-Hilfen bisher das Leben von jährlich 3,3 Millionen Menschen. Berücksichtigt wurden dabei nur Vorhaben, die unmittelbar Leben retten können, etwa Impfungen oder Aids-Programme. Vor allem für die humanitäre Hilfe im engen Sinn, also die Unterstützung von Menschen nach Katastrophen oder in Kriegen, waren die USA bisher ein unverzichtbarer Geber. Vergangenes Jahr stellten die Vereinigten Staaten nach UN-Daten mehr als 40 Prozent dieser Hilfe bereit.
Doch auch die Entwicklungszusammenarbeit, bei der es um langfristigere Vorhaben geht, etwa den Aufbau von tragfähigen Landwirtschaftssystemen oder funktionierenden Gesundheitssystemen, ist von Kürzungen betroffen. Die USA galten hier vor allem im Gesundheitsbereich – zum Beispiel bei der Prävention von HIV/Aids – als wichtiges Geberland. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht durch den Rückzug der USA nun vor einem massiven Finanzierungsproblem.
Dass andere Länder einspringen und die Lücken füllen, hält der Politikwissenschaftler Klingebiel für unwahrscheinlich – zumal Trump nicht der einzige Politiker sei, der den Rotstift ansetze. Zuletzt hätten etwa Großbritannien, Frankreich und die Niederlande bei der Auslandshilfe gekürzt. „Und auch in Deutschland gab es Einschnitte.“ Zu befürchten sei eher ein Domino-Effekt, bei dem weitere Geber dem Vorbild der USA folgten, sagt Klingebiel.
Noch hält Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) dagegen. Zwar könnten weder die Europäische Union noch Deutschland die Kürzungen kompensieren, sagte sie jüngst bei einem EU-Treffen in Brüssel. Dennoch müsse alles getan werden, „um das Schlimmste zu verhindern“. Doch auch im Koalitionsvertrag von SPD und Union ist eine Absenkung der Entwicklungsgelder vorgesehen.
Jörn Grävingholt, Abteilungsleiter Politik beim kirchlichen Hilfswerk „Brot für die Welt“, mahnt angesichts der Krise grundlegende Reformen an: „Die Einschnitte unter Trump müssen ein Weckruf sein, Dinge zu verändern.“ Denn nun zeige sich: Ein System, das in so einem großen Maße Abhängigkeiten aufgebaut habe, sei ein großes Risiko. Die Entwicklungszusammenarbeit müsse herauskommen aus einer „Almosen-Logik“, nach der reiche Länder wie die USA oder Deutschland freiwillig zahlten.
Grävingholt schwebt ein System vor, „in das verpflichtend eingezahlt wird und aus dem Ansprüche entstehen“. Dies sei angemessen, weil der Lebensstil in den Industrieländern im globalen Süden große Schäden anrichte, sagt der Experte mit Blick auf den Klimawandel oder Menschenrechtsverletzungen im Rohstoffabbau. Angesichts der aktuellen politischen Debatte sei dies zwar kaum realistisch. Die Vision sei aber ein Leitfaden für kleinere Reformschritte. Konkret könnte etwa armen Ländern mehr Mitsprache in multilateralen Institutionen wie der Weltbank eingeräumt werden, damit sie in Zukunft mehr über die Bedingungen der Entwicklungszusammenarbeit mitbestimmen.