Die Bodensee-Stadt Überlingen will eine Straße nach Martin Walser benennen. Doch die Familie ist davon wenig angetan. Jetzt präsentiert Büchner-Preisträger Arnold Stadler eine andere Idee, um an den im Juli gestorbenen Literaten zu erinnern.
Wie setzt man einem berühmten Mann ein preiswertes Denkmal? Man benennt eine öffentliche Fläche nach ihm. So will es auch die Stadt Überlingen halten und an den im Sommer verstorbenen Bürger Martin Walser dauerhaft erinnern. Die Wahl fiel auf eine Straße im Neubaugebiet, dachten die Stadtväter und Stadträtinnen und gossen diese Absicht gleich in einen Beschluss. Doch geht die gut gemeinte Rechnung nicht auf. Gewichtige Stimmen erheben sich gegen die von oben verfügte Namensgebung.
Die Witwe Käthe Walser erhebt Einspruch. Sie hält den geplanten Standort schlicht für unpassend. Das bisher gesichtslose Baugebiet am städtischen Krankenhaus liegt weit ab von der stolzen Innenstadt – und nur dort, zwischen See und gotischem Münster, hätte eine Widmung an Martin Walser Wirkung entfalten können, ist die Witwe überzeugt.
Daher hat sie einen besseren Vorschlag. Sie will an ihren Mann an jenem Ort am Bodensee erinnern, wo er mit Familie viele Jahre gemeinsam lebte, wo er schrieb und seine immer seltener gewordenen Interviews gab: in Nussdorf, 1.759 Einwohner. Kommunal gehört es zu Überlingen, es hat sich aber einen gesunden Eigensinn bewahrt.
Viele Nussdorfer meldeten sich bereits mit Leserbriefen in der lokalen Zeitung zu Wort. Auch sie wollen “ihren Martin” nicht hergeben. Man möge einen schönen Weg oder doch gleich die Hauptstraße von Nussdorf nach dem langjährigen Mitbewohner benennen, heißt es in den einschlägigen Schreiben.
Inzwischen zieht der Straßenstreit Kreise. Auch Arnold Stadler, Freund der Familie Walser, empfindet einen Ort im Industriegebiet als unwürdig. Der Büchner-Preisträger schlägt den Steg an der Nussdorfer Schiffslände für eine Benennung vor. “Martin Walser war ein Mensch des Wassers”, sagt Stadler, da liegt der Anlegeplatz doch nahe.
Der Ausgang der Namensdebatte ist offen. Der Kulturausschuss des Gemeinderats will seinen Martin Walser im Viertel der zukünftigen Häuslebauer platzieren. Auch Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) steht hinter der Entscheidung.
Was formal seine Richtigkeit haben mag, hat mindestens einen Schönheitsfehler: Die Familie Walser, also Witwe sowie die vier Töchter, wurden nach eigenen Angaben nicht in die Entscheidung einbezogen. Und jetzt will sich auch die Stadtverwaltung Überlingen auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu der schwelenden Debatte äußern.