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Zweite Stufe auf den Weg gebracht

Eine halbe Million Menschen zusätzlich sollen Pflegeleistungen erhalten

Berlin – Künftig sollen mehr Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat den Gesetzentwurf für die zweite Stufe der Pflegereform fertiggestellt und in die Ressortabstimmung gegeben. Profitieren werden vor allem die Demenzkranken. Bis zu 500 000 Menschen, die heute kein Anrecht auf Pflegeleistungen haben, sollen in den kommenden Jahren zusätzlich versorgt werden.
Die Mehrausgaben werden durch eine Erhöhung der Beiträge um 0,2 Prozentpunkte finanziert. Sie spült laut Gesetzentwurf jährlich zunächst rund 2,5 Milliarden Euro mehr in die Pflegekasse, später 2,7 Milliarden Euro mehr. Der Beitrag von dann 2,55 Prozent soll laut Gesundheitsministerium bis 2022 stabil gehalten werden – zwei Jahre länger als bisher angenommen. Zu Beginn dieses Jahres waren bereits etliche Leistungen der Pflegeversicherung angehoben und mit einer ersten Beitragserhöhung um 0,3 Prozentpunkte finanziert worden. Der Pflegebeitrag beträgt heute 2,35 Prozent; Kinderlose zahlen 2,6 Prozent vom Bruttolohn.
In dem nun vorliegenden Gesetzentwurf werden erstmals auch die Kosten für die Einführung eines neuen Begutachtungsverfahrens beziffert: Es werden einmalig 4,4 Milliarden Euro benötigt, davon 800 Millionen Euro, damit kein Pflegebedürftiger schlechtergestellt wird. Dies hatte die Koalition versprochen. Die zusätzlichen Milliarden sollen aus den Rücklagen der Pflegeversicherung kommen. Der Gesetzentwurf soll nach den Plänen von Gröhe im August ins Kabinett gehen, bis Ende des Jahres verabschiedet werden und Anfang 2017 in Kraft treten.
Dann sollen fünf Pflegegrade eingeführt werden statt der bisherigen drei Pflegestufen. Das neue Begutachtungsverfahren stellt sicher, dass Demenz und andere geistige und psychische Einschränkungen ebenso berücksichtigt werden wie körperliche Defizite. Das neue Begutachtungsverfahren gilt für alle Personen, die nach dem 1. Januar 2017 einen Antrag an die Pflegeversicherung stellen. Es kommt auch Pflegebedürftigen zugute, die etwa geistig behindert oder noch Kinder sind.
Laut Gesetzentwurf sollen alle 2,8 Millionen Pflegebedürftigen, die 2017 voraussichtlich Leistungen beziehen, ohne eine neuerliche Begutachtung ins Pflegegrad-System überführt werden. In der Regel entsprechen die Pflegestufen I, II und III den Pflegegraden II, III und IV. Demenzkranke werden in der Regel zwei Stufen höher rutschen.
Am deutlichsten werden voraussichtlich die Menschen die Verbesserungen spüren, die heute als Demenzkranke in die sogenannte Pflegestufe 0 eingruppiert sind. Ihre Ansprüche steigen auf mehr als das Doppelte.
Durch die automatische Überleitung in das neue System soll niemand schlechtergestellt werden. Wer will, kann sich aber erneut begutachten lassen. Stellt er sich besser, erhält er die höheren Leistungen. Stünde er schlechter da, bekommt er weiter seine bisherigen Leistungen. Dies könnte vor allem bei Menschen passieren, die körperlich eingeschränkt, aber noch nicht schwer pflegebedürftig sind.
Mit der Reform soll auch die Anpassung der Pflegeleistungen an die Preissteigerungen um ein Jahr vorgezogen werden. Sie wäre eigentlich erst 2018 wieder fällig. Neu ist weiter, dass künftig der Eigenanteil nicht mehr steigen soll, wenn Menschen im Pflegeheim in einen höheren Pflegegrad eingruppiert werden. Bisher ist das der Fall. epd