Es wurde jahrelang darum gerungen, nun soll es umgesetzt werden: die Zurückweisung Asylsuchender an den deutschen Grenzen. Am Mittwoch hat der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnet, dass die Bundespolizei auch Menschen, die ein Schutzgesuch äußern, an der Grenze abweisen kann. Was ist das Ziel, wer ist betroffen und warum ist die Maßnahme umstritten? Fragen und Antworten:
Was sieht die Anordnung von Dobrindt konkret vor?
Der neue Innenminister nimmt nach eigenen Angaben eine Weisung aus dem Jahr 2015 zurück. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) hatten damals auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach rechtlicher Prüfung entschieden, dass keine Asylbewerber an der Grenze zurückgewiesen werden sollen. Mit der Rücknahme dieser Entscheidung kann die Bundespolizei nun wieder zurückweisen, soll das aber nicht ausnahmslos praktizieren: Kindern, Schwangeren und anderen vulnerablen Gruppen soll laut Dobrindt die Einreise gewährt werden.
Wie soll die Maßnahme umgesetzt werden?
In den kommenden Tagen soll Dobrindt zufolge die Polizeipräsenz an den deutschen Grenzen erhöht werden. Seit September 2024 wird an allen deutschen Landgrenzen kontrolliert, allerdings nicht lückenlos. Dafür ist die Grenze zu lang.
Warum gab es bislang keine Zurückweisungen?
Es gab auch in der Vergangenheit Zurückweisungen, insbesondere seit der Anordnung von Kontrollen an allen deutschen Grenzen im vergangenen Jahr. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums summieren sie sich inzwischen auf mehr als 50.000. Dabei wurden Menschen zurückgewiesen, die beispielsweise kein Visum oder eine andere Art der Einreiseberechtigung für Deutschland haben, nicht aber Menschen, die ein Asylgesuch äußern.
Warum werden Asylbewerber anders behandelt?
Im Asylrecht hat das Gebot der Nichtzurückweisung durch die Genfer Flüchtlingskonvention einen besonders hohen Stellenwert. Es soll sicherstellen, dass ein Verfolgter nicht abgewiesen und in Gefahr für Leib und Leben zurückgeschickt wird. Ausdruck findet es in europäischen Vereinbarungen wie dem Dublin-Abkommen darin, dass die Mitgliedstaaten zumindest verpflichtet sind, einen Antrag zu prüfen. Das kann dazu führen, dass die Prüfung ergibt, dass eigentlich ein anderer Staat für die Aufnahme zuständig ist. Eine Zurückweisung ohne jede Prüfung soll es aber nicht geben. Deswegen ist die Maßnahme rechtlich umstritten.
Wie begründet die neue Bundesregierung die Maßnahme rechtlich?
Bei der Ankündigung der Maßnahme verwies Dobrindt auf das deutsche Asylgesetz, das die Verweigerung der Einreise bei Ankunft aus einem sicheren Drittstaat vorsieht, und den Paragrafen 72 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er sieht Ausnahmen für Mitgliedstaaten von europäischen Regelungen „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ vor. Rechtlich ist umstritten, ob er für den konkreten Fall angebracht ist.
Wer wird besonders betroffen sein?
Hauptherkunftsländer von Asylantragstellern in Deutschland sind seit Jahren Syrien und Afghanistan. Hinzu kommen Flüchtlinge aus der Ukraine, die durch eine europäische Regelung aber kein Asylverfahren durchlaufen müssen und ohnehin ohne Visum nach Deutschland einreisen können. Sie dürften von der neuen Regelung nicht betroffen sein.