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Zur Kirche? – Immer der Musik nach

Sonntagsgottesdienst in vielen Sprachen. Begegnungen in Dortmund. Gerne auch beim Kirchentag 2019

„Wir möchten gerne Migrationskirchen am Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund beteiligen. Können Sie Kontakte herstellen?“ Über diese Anfrage aus dem Kirchentagsbüro in Fulda freue ich mich. Denn tatsächlich kenne ich viele Gemeinden unterschiedlicher Sprachen und Herkunft.
Im Internationalen Kirchenkonvent arbeiten verschiedene Gemeinschaften auf nordrhein-westfälischer Ebene schon lange zusammen. Auch in Dortmund gibt es gute Kooperationen zwischen landeskirchlichen und internationalen Gemeinden – zum Beispiel in der Lydia-Gemeinde in der Dortmunder Nordstadt.
Doch die Anzahl der Migrationskirchen in Nordrhein-Westfalen ändert sich sehr schnell. Aktuell sollen es bis zu 800 Gemeinden sein, die an verschiedenen Orten Gottesdienste in ihren Muttersprachen feiern. So erklingt das Gotteslob auf Persisch und Koreanisch, Arabisch und Englisch, Französisch und Twi, Tamilisch und Spanisch, Chinesisch und Japanisch, Ungarisch und Finnisch und in anderen Sprachen mehr.
Wer sich sonntags durch Dortmunder Stadtviertel bewegt, kann das hören. In manchen Gegenden legt sich ein Klangteppich über die Straße: aus angemieteten Tanzschulen und Kneipen, aus Kirchen und auch aus Lautsprechern vor der Tür.
Durch Dortmund radelnd, mache ich mich gemeinsam mit einer Kollegin auf die Suche nach solchen Gemeinden. An einem Sonntag erleben wir besonders eindrückliche Begegnungen im Haus der Vielfalt im Dortmunder Westen. Da ist sonntags eine Menge los.
„Folgen Sie der Musik, dann kommen Sie zur Kirche“, empfehlen uns Gewerkschaftler, die sich ebenfalls hier treffen. Und tatsächlich: In der zweiten Etage toben uns schon etliche Kinder entgegen; festlich gekleidete Gottesdienstbesucher in ghanaischen Kleidern verlassen den Saal. Wir können kurz mit einem Gemeindeältesten sprechen, bevor der zweite Gottesdienst hier beginnt.
Es ist die Christian Church Outreach Mission, ein Ableger einer großen Migrationskirche in Deutschland. Die Mitglieder dieser Gemeinde sind neu im Haus der Vielfalt und müssen sich noch akklimatisieren. Auch über die Lautstärke der lebhaft agierenden Band wird wohl noch gesprochen werden müssen.
Auf der Weiterfahrt landen wir in der Nordstadt zunächst in einer Moschee. Die feierlich gekleideten Menschen am Sonntagmorgen hatten uns eine afrikanische Migrationskirche vermuten lassen. Aber nein – hier findet eine muslimische Trauerfeier statt. Wir drücken unser Beileid aus und machen uns wieder auf den Weg.
Die nächste Begegnung beeindruckt uns tief. Ein Junge, den wir vor einem mehrstöckigen Wohnhaus nach christlichen Kirchen in der Umgebung fragen, lädt uns ein: „Kommt doch zu uns! Wir sind evangelisch und kommen aus Bulgarien“, verkündet er stolz. Dass wir in einer Etagenwohnung auf eine Gemeinde treffen sollen, wundert uns. Doch als wir ihm folgen, platzen wir mitten in den Gottesdienst.
Etwa 20 Gemeindeglieder hören der engagierten Predigt zu, der wir mangels bulgarischer Sprachkenntnisse nicht folgen können. Dem Pfarrer ist nach einer Weile anzumerken, dass er sich über unsere Anwesenheit Gedanken macht. Er beginnt, einzelne Gedanken seiner Predigt ins Deutsche zu übersetzen. Die Kinder in der Reihe vor uns können es noch besser, in gutem Deutsch fassen sie die Geschichte vom Weinstock und den Reben zusammen.
Nach und nach wenden sich auch andere Gemeindeglieder uns zu: „Versteht ihr, was er sagt? Braucht ihr eine Bibel?“ Mitten in der Predigt kommen wir ins Gespräch miteinander. Dann erhalten wir auch die Telefonnummer des Pfarrers, dazu sein Angebot: „Wenn ihr Hilfe braucht, meldet euch. Jetzt sind wir mitten im Gottesdienst, aber zu einem anderen Zeitpunkt können wir gerne mehr miteinander reden.“
Als wir das Wohnhaus verlassen, sind wir berührt und beglückt. So viel Gastfreundschaft hatten wir nicht erwartet.
Ob die bulgarische Gemeinde bereit sein wird, beim Kirchentag 2019 ihre Türen zu öffnen? Ob die Live Changing Church, die wir in ihrer von der Landeskirche gekauften Kirche mit allen dazugehörenden Finanz- und Bauproblemen antreffen, dann einen Gottesdienst anbieten wird? Ob die charismatisch oder reformiert, pfingstlerisch oder lutherisch geprägten Migrationskirchen beim Kirchentag präsent sein werden? Das wissen wir noch nicht.
Aber es gibt diese Gemeinden. Sie sind unübersehbar und unüberhörbar. Zum Glück! Das Lob Gottes ist vielstimmig und vielfältig in Dortmund. Hoffentlich wird es so auch beim Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 19. bis 23. Juni 2019 zu hören sein.

Beate Heßler ist Pfarrerin in der Fachstelle „Gemeinsam Kirche sein mit Zugewanderten“ und „Ökumenische Frauenarbeit“ im Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der westfälischen Landeskirche.