Seit Herbst ist es amtlich: Suizid bleibt in Deutschland erlaubt – und damit auch die Beihilfe zum Suizid. Diese Beihilfe bleibt allerdings nur dann straffrei – und das ist das Neue –, wenn sie nicht organisiert gewerbsmäßig betrieben wird. Das heißt vor dem Gesetz ist es von nun an ein Unterschied, ob jemand einem Angehörigen oder einer Freundin bei der Selbsttötung zur Seite steht, etwa indem tödliche Substanzen besorgt werden, oder ob diese Hilfe von einem Verein oder einer Organisation gewerbsmäßig betrieben wird. Das Letztere ist von nun an in Deutschland ausdrücklich verboten.
Mit dieser gesetzlichen Regelung endet die Diskussion um sogenannte Sterbehilfevereine, wie die Schweiz sie beispielsweise kennt. Nicht jedoch endet die Diskussion um das „Wie“ des Sterbens in unserem Land.
Wie etwa halten wir es in unserer Gesellschaft mit der Autonomie/Selbstbestimmung der Einzelnen? Das Recht auf Selbsttötung ist weitgehend unumstritten, die Diskussion des letzten Jahres aber hat gezeigt, dass es nicht wenige gesellschaftliche Gruppen gibt, die weit darüber hinausgehende Forderungen haben. Sie fordern unter dem Stichwort „Autonomie“ auch das Recht darauf, sich von anderen, vor allem Ärztinnen und Ärzten, töten zu lassen.
Die Niederlande, mit ihrer Möglichkeit der Tötung auf Verlangen, dienen diesen Gruppen als Vorbild. Endet nicht aber die Selbstbestimmung der Einzelnen dort, wo sie die Freiheit anderer einschränkt? Und: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die das Töten legalisiert? Diese Fragen werden uns auch in Zukunft umtreiben.
Eine andere wichtige Frage ist, wie Menschen im Sterben begleitet werden. Zwar ist die palliative Versorgung als Linderung körperlicher Schmerzen inzwischen weit vorangeschritten und steht fast flächendeckend zur Verfügung. Wie aber steht es mit den sozialen, kulturellen und spirituellen Bedürfnissen Sterbender?
Das Palliativgesetz sieht auch hier eine umfassende Versorgung vor: in Kooperation aller beteiligter Berufsgruppen, wie auch ehrenamtlicher Hospizdienste. Wie aber geht das, Menschen kulturell und spirituell zu begleiten? Welche Fragen, welche Nöte tauchen am Lebensende auf, und was müssen die Begleitenden „können“, um mit diesen Fragen umgehen zu können?
Mit diesen gesellschaftlichen wie auch individuellen Herausforderungen hat sich die Evangelische Akademie Villigst in zwei Tagungen im Januar intensiv beschäftigt. Die Grundlagen spiritueller Begleitung wurden erarbeitet, eine gesellschaftliche Verantwortungskultur angesichts von Sterben und Tod intensiv diskutiert. Auch in Zukunft will die Akademie an diesen Fragen weiterarbeiten und wird Tagungen dazu anbieten.
• Sabine Federmann ist Studienleiterin für Theologie und Ethik im Fachbereich Theologische und gesellschaftliche Grundfragen im Institut für Kirche und Gesellschaft.