Am 9. April, dem 80. Todestag Dietrich Bonhoeffers, gestaltet der Jazz-Musiker Uwe Steinmetz musikalisch die Andacht für den Theologen und Widerstandskämpfer in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Steinmetz ist evangelischer Kirchenmusiker in Ostbayern, sein Instrument ist das Saxofon. Wenn der Komponist und Musikwissenschaftler Spirituals spielt, dann klagt, swingt und schwelgt das Saxofon in seinen Händen. Bei der Gedenkfeier werden Spirituals und Improvisationen über Kirchenlieder erklingen, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Herr Steinmetz, wie klingt Jazz-Musik in Erinnerung an einen Tag, an dem Menschen im Konzentrationslager hingerichtet wurden?
Uwe Steinmetz: Es ist eine Musik, bei der das Marschieren schwierig ist, sagte einmal der berühmte deutsche Jazz-Posaunist Albert Mangelsdorff. Es ist keine Musik, die einfordert oder vorführt, sondern die zum Zuhören und zur Innerlichkeit aufruft. Das sind sicherlich Qualitäten, die auch Gebete einem solchen Tag brauchen. Ich hoffe, dass die Solosaxofonmusik, die sehr starke Anklänge an Jazz haben wird, auch dazu führt, dass sie tröstend wirkt und die Gebete unterstüzt, in einer Situation, wo wir wirklich hilflos vor begangenem Unrecht stehen.
epd: Jazz und Bonhoeffer sind nicht so weit voneinander entfernt. Auch für Bonhoeffer war Harlem eine wesentliche Station und Inspirationsquelle in seinem Leben wie für viele Jazz-Musiker auch. Sehen Sie auch einen Zusammenhang zwischen Spiritualität und Jazz-Musik?
Steinmetz: Ich weiß von vielen älteren Musikerinnen und Musikern, die ich selber treffen durfte, wie wichtig Religion in ihrem Leben war – gerade afroamerikanische Musikschaffende haben das verstanden, dass Religion sehr viel mit Gebet zu tun hat und dass sich dieses auch einen öffentlichen Raum erringen kann. Ein Gebet kann deshalb auch auf der Bühne stattfinden, so haben das viele Musiker formuliert. In der Tradition bin ich sozusagen als Musiker sozialisiert. Jazz ist persönlich und allgemein zugleich, nichts Imperialistisches, Jazz basiert auf freien Austausch und Dialog. Man darf Jazz mögen oder nicht, aber er drückt niemals eine Agenda auf. Ich glaube, das ist an einem Ort wie Flossenbürg sehr angemessen.
epd: Ist überliefert, wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer zu Spirituals stand?
Steinmetz: Bonhoeffer war einer der Ersten, der Aufnahmen von Spirituals in Berlin gespielt hat. Das war damals eine der großen Errungenschaften. Bonhoeffer brachte die Schallplatten selbst aus den USA mit. Darüber gibt es mehrere Zeugnisse, nicht nur von seinem Biografen Eberhard Bethge, sondern auch von seinen Studierenden und Freunden. Bonhoeffer spielte besonders häufig das berühmte „Swing Low, Sweet Chariot“ seinen Studierenden vor. Das kann als Beweis gewertet werden für die grenzüberschreitende Kraft, die Jazz und Spirituals haben, weil sie etwas Urmenschliches ausdrücken, wie Martin Luther King jr. immer betont hat. (0917/20.03.2025)