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Zeit zu feiern – Zeit für neue Wege

Herausforderungen gab es für die St.-Thomas-Kirchengemeinde immer. Doch nicht nur daran soll beim Doppeljubiläum „150 Jahre St. Thomas – 30 Jahre Mauerfall“ erinnert werden

Von Cordula Möbius

Wohl keine andere evangelische Kirchengemeinde in Berlin ist in den vergangenen 150 Jahren so durch gesellschaftliche, städtebauliche, aber auch geopolitische Umwälzungen geprägt worden wie die St.-Thomas-Kirchengemeinde in Kreuzberg. Als St. Thomas erbaut wurde, war die Kirche der Mittelpunkt eines dicht besiedelten und wirtschaftlich florierenden Stadtteils – der Berliner Luisenstadt. Und die Gemeinde zählte mit circa 150 000 Mitgliedern zu den größten evangelischen Kirchengemeinden überhaupt. Doch im Zweiten Weltkrieg wurde St. Thomas schwer beschädigt und verlor in den Nachkriegsjahren einen großen Teil ihrer (Innen-)Ausstattung. Der Wiederaufbau der Kirche kostete die Gemeinde viel Kraft. 

Noch einschneidender wirkte sich die Teilung Berlins aus, denn die trennende Mauer zog sich von 1961 bis 1989 mitten durch das Gebiet der St.-Thomas-Gemeinde. Sie lag nun nicht mehr im Zentrum der Stadt, sondern an deren Rand. Hinter St.-Thomas war (West-)Berlin zu Ende und der Kiez um die Kirche entwickelte sich zu einem sozialen Brennpunkt, auch weil die West­berliner Stadt- und Verkehrsplaner seinen Kahlschlag im Sinn hatten. Die St.-Thomas-Gemeinde wollte dies nicht hinnehmen und wirkte intensiv an der Erneuerung des Stadtteils mit.

Auch für Torsten Schaare, seit zwölf Jahren Gemeindekirchenratsvorsitzender, lag das Geschehen um die Kirche jahrelang außerhalb seines Blickfeldes. „St. Thomas war weit weg für jemanden, der in Zehlendorf aufwuchs“, sagt er. Dabei ist seine Familien­geschichte eng mit St.-Thomas verbunden: Seine Großmutter wurde dort getauft und 1924 heirateten seine Großeltern in der Kirche. Die Familienbande sind so stark, dass sich Torsten Schaare nun seit vielen Jahren für die Belange der St.-Thomas-Gemeinde einsetzt und sehr viel Zeit und Enthusiasmus In deren Entwicklung steckt. „Ich möchte St.-Thomas einfach in gute Bahnen lenken“, sagt er. Noch heute lebt er in Zehlendorf, leitet jedoch ein Unternehmen in Kreuzberg. 

Das ist eine herausfordernde Aufgabe, denn die Gemeinde ist in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft. Sie zählt heute nur noch 1500 Mitglieder und es kneift an allen Ecken und Enden. Weil Gelder für hauptamtliche Kräfte fehlen, kümmern sich ehrenamt­liche Mitarbeitende um vieles. Sie schenken im Obdachlosencafé „Krause“ Kaffee aus, erledigen die Büro- und Küstereiarbeit oder engagieren sich dafür, dass St. Thomas als Ort der Begegnung erhalten bleibt. Dazu kommt, dass St. Thomas aufgrund seiner Größe und der Bestimmungen des Denkmalschutzes schwer zu bewirtschaften ist.

Gemeinde muss fusionieren

„Wir überlegen deshalb, wie wir unsere Kirche mehr in die Gesellschaft einbringen können und wie wir sie auch für junge Menschen attraktiv machen können.“ Allein wird die Gemeinde dies nicht stemmen können, ist sich Torsten Schaare sicher. Für ihn und seinen Gemeindekirchenrat führt deshalb kein Weg an einer Fusion mit anderen Gemeinden vorbei. Die Verhandlungen mit der Emmaus-Ölberg-Kirchengemeinde und der Kirchengemeinde in Kreuzberg-Mitte laufen derzeit. „Wir sind uns sicher, dass sich durch einen Verbund neue Chancen für alle drei Gemeinden ergeben würden.“

Trotz aller Herausforderungen wird das Doppeljubiläum „150 Jahre St. Thomas – 30 Jahre Mauerfall“ würdig begangen. Dazu veranstaltet die Gemeinde am Samstag, dem 21. Dezember, um 16 Uhr einen Festgottesdienst, in dem Bischof Christian Stäblein predigen wird. Unmittelbar danach eröffnet eine  neue Dauerausstellung. Sie steht unter dem Titel „eins – getrennt –vereint“ und widmet sich der Aufarbeitung der Diktaturen, die das soziale Leben um die St.-Thomas-Kirche prägten. Auch eine Festschrift wird es geben. „Die Feierlichkeiten werden der Gemeinde hoffentlich einen Schub geben.“ Den kann sie dringend gebrauchen.

Die Ausstellung über die Geschichte von St. Thomas wird zehn Jahre zu sehen sein. Die Öffnungszeiten im Rahmen der Offenen Kirche sind Mo – Fr 10 bis 14 Uhr sowie Sa und So 12 bis 16 Uhr. Nach Anmeldung sind auch Führungen möglich, Tel.: (030)6123722, E-Mail: gemeinde@stthomas-berlin.de