Eigenständigkeit ist ein hohes Gut des Menschen. Das große Ziel vieler ist, sich so lange wie möglich selbst versorgen und verpflegen zu können. Wenn dies aber – meist aus gesundheitlichen Gründen – nicht mehr gewährleistet ist, wird Pflegebedürftigkeit ein Thema. Viele Betroffene werden in der Familie versorgt, andere benötigen Betreuung und Unterbringung in einem Pflegeheim. Während steigende Kosten stark diskutiert werden, befasst sich die ZDF-Dokumentation “Plan b: Frischer Wind im Pflegeheim” am Samstag, 10. Februar, mit neuen Maßstäben im Bereich der Pflege, weil diese nicht erst in Zukunft dringend benötigt werden.
Immer wieder ist zu hören, dass sich viele alte Menschen in Pflegeheimen einsam und abgeschoben fühlen. Umzug ins Pflegeheim – auch für die Autorin und Filmemacherin Katharina Wulff-Bräutigam (57) klang das lange nach Endstation. “Mehr Lebensqualität im Alter” fordert der Untertitel der Dokumentation. Wulff-Bräutigam hat sich dafür in wochenlanger Recherche aufgemacht, gute Beispiele für neue Maßstäbe in der Pflege zu finden. Zwei zukunftsweisende Beispiele stellt die Münchnerin in ihrem Beitrag heraus.
24-Jähriger zieht ins Pflegeheim
In Hollands Metropole Amsterdam begleitet das Kamerateam Teun Toebes, einen 24-jährigen Studenten und Autor, im Pflegeheim für Demenzkranke. Dabei ist er kein Besucher und gehört auch nicht zum Personal. Toebes ist selbst ins Pflegeheim eingezogen. Dort kümmert er sich rührend um Heimbewohnende wie die 97-jährige Jopie.
Oft “beamt” er Jopie zurück in gute, schöne Zeiten. “Wir machen Camping im Garten, gehen ins Kino, ins Restaurant und unternehmen Spaziergänge”, berichtet Toebes. “Ich kann als Jüngerer meine Stimme gebrauchen für Menschen, die im heutigen System keine mehr haben – und das sind Menschen mit Demenz.” Weltweit erkranken immer mehr Menschen daran. Alzheimer ist die häufigste Form der Erkrankung des Gehirns. Betroffene verlieren langsam ihr Gedächtnis und die Orientierung.

Welche Fortschritte bei intensiver Betreuung zu erzielen sind, zeigt der Dokumentarfilm auch beim Besuch im “Haus Ruhrblick” in Mülheim an der Ruhr. Oskar Dierbach hat Jahrzehnte im Altenheim gearbeitet, immer nah dran an den Betagten und vertraut mit dem, was ihnen gut tut. So entwickelte er als Heimleiter ein neues, wegweisendes Konzept, das Pflegebedürftige wieder fit machen soll.
“Die Krönung einer rehabilitativen Pflege ist, dass Menschen wieder nach Hause gehen können”, sagt Dierbach. Deshalb stehen im Pflegeheim-Alltag als “Hilfe zur Selbsthilfe” vor allem Bewegungs- und Ergotherapie im Fokus. “Training statt Schonung ist unser Motto”, betont seine Kollegin, Pflegeleiterin Kathrin Hendricks.
Beispielhaft dafür übt Klaus Grün eifrig seine Beinmuskulatur. Der 88-jährige frühere Ingenieur ist nach einem Herzinfarkt vor drei Jahren motorisch eingeschränkt. An der Seite von Pflegerin Conny macht er nun beim Treppensteigen große Fortschritte. Er verrät: “Das ist mein Ziel, dass ich das alles viel, viel öfter oder viel besser alleine machen kann!”
Was die “Rehabilitative Altenpflege” leistet
Seit dem 1. Oktober 2023 wird die “Rehabilitative Altenpflege” bundesweit getestet: Zwölf weitere Pflegeheime in Deutschland möchten damit – von einer gesetzlichen Krankenkasse gefördert – ihre Arbeit verbessern und zu mehr Lebensqualität im Alter beitragen. Die kompakte Dokumentation unterstützt das Anliegen, Menschen in Pflegeheimen mehr Wertschätzung entgegenzubringen und ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen.
Neue Standards sind das eine. Aber der Film zeigt auch: Wer schon in jüngeren Jahren in Bewegung bleibt, wird sich später über eine höhere Lebensqualität freuen können, selbst wenn manche Gebrechen zunehmen. Auf die Frage, was die Autorin Wulff-Bräutigam selbst durch die intensive Beschäftigung mit Demenz und Pflege gelernt hat, erklärt sie: “Mir war vorher nicht bewusst, was körperliche Bewegung ausmacht – und dass man im Vorfeld schon Prävention leisten kann.”