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ZDF-Doku beleuchtet die weltweite Suche nach Arbeitskräften

Von Berufskraftfahrenden bis zu Krankenpflegenden: Mit dem Mangel an Fachkräften befasst sich sehr anschaulich eine ZDF-Dokumentation. Sie sucht auch nach möglichen Wegen aus diesem Dilemma.

In Erwerbsarbeit waren im vergangenen Jahr in Deutschland mit 45,9 Millionen Menschen laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) – so viele wie noch nie. Doch die Freude darüber hält sich in Grenzen, denn trotzdem fehlen branchenübergreifend Fachkräfte: 570.000 Stellen konnten laut IW im Vorjahr nicht besetzt werden – von Berufskraftfahrenden bis zu Krankenpflegenden. Mit dem Mangel an Fachkräften und dem Hürdenlauf auf dem Weg aus diesem Dilemma befasst sich anschaulich die Dokumentation “Arbeitskräfte weltweit gesucht!” aus der ZDF-Reihe “37 Grad” am Abend des 23. Juli.

Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beklagen Arbeitgebende in immer mehr Regionen und Branchen, offene Stellen nicht mit Fachkräften besetzen zu können. Bis 2035 fehlen 350.000 Pflegekräfte und schon jetzt 70.000 Lkw-Fahrer, heißt es im Film – inzwischen wird weltweit Personal angeworben.

Mit ihrer Dokumentation geben die Berliner Filmemacher Enrico Demurray und Nikolaus Tarouquella den nackten Zahlen ein Gesicht. Sie begleiten über Monate Elaine und Yassine bei ihrem Start in Deutschland. Schnell wird dabei deutlich: Arbeitskräfte sind keine Ware. Die Menschen, die hierher kommen, haben Familien, Gefühle und Lebensgewohnheiten. Der Film veranschaulicht, wie sie zurecht kommen und welche Hürden, etwa die Wohnungssuche, Elaine (37) aus Brasilien und Yassine (26) aus Tunesien nehmen müssen.

Die studierte Pflegerin Elaine hat 14 Jahre Berufserfahrung und war zuletzt leitend in der Notaufnahme in einer Klinik in der 25-Millionen-Stadt Sao Paulo tätig. Sie ist verheiratet, hat einen achtjährigen Sohn und wohnt in einer Siedlung am Rande der brasilianischen Metropole. Elaine und ihr Mann möchten etwas Neues kennenlernen – Europa ist ein Traum. Die hohe Kriminalitätsrate in dem südamerikanischen Land macht ihr Angst: “Ich kann als Frau nicht alleine morgens zur Arbeit gehen. Entweder werde ich vergewaltigt oder ausgeraubt.”

Elaine sucht für ihre Familie Sicherheit und hofft, sie in Deutschland zu finden. Zunächst geht Elaine allein, möchte Krankenschwester in einer katholischen Klinik bei Düsseldorf werden, später sollen Mann – ein IT-Spezialist – und Sohn Hugo nachkommen. Obwohl Deutschland dringend Pflegekräfte aus dem Ausland braucht, ist der Weg beschwerlich: Für die Bewältigung der in Brasilien durchgeführten Sprachkurse, für die Anträge und Genehmigungen sowie das nötige Arbeitsvisum vergehen Monate.

Über die Bundesagentur für Arbeit wurde der Tunesier Yassine an eine mittelständische Spedition in die 11.000-Einwohnerstadt Gernsheim (bei Darmstadt) vermittelt. Dort sucht man dringend Fahrer und Auszubildende. Nach dem Abitur in der 220.000-Einwohner-Stadt Sousse, einer Hafenstadt an Tunesiens Mittelmeerküste, arbeitete Yassine dort als Lkw-Fahrer. Yassine machte den erforderlichen Führerschein – und schon ging es für ihn los im Job.

In Deutschland jedoch eine richtige Ausbildung zu machen, reizte den Tunesier. In einem Intensivkurs lernte Yassine zunächst Deutsch in Tunesien, und weil Lkw-Fahrer gebraucht werden, erhielt er relativ schnell ein Visum. Yassine ist einer von sechs Azubis, drei sind Deutsche, die anderen aus Marokko und Tunesien. Da sein tunesischer Führerschein hier aber nicht anerkannt wird, muss er nochmals eine Lkw-Fahrlizenz erwerben.

Die interessante Dokumentation “37 Grad: Arbeitskräfte weltweit gesucht!” verdeutlicht, wie schwer den Fachkräften das Ankommen in ihrer neuen Heimat gemacht wird. Obwohl die meisten Arbeitgeber so gut wie möglich unterstützen, wissen auch sie manchmal nicht, wie sie der deutschen Bürokratie Herr werden sollen: viele unterschiedliche Ämter, verschiedene Anforderungen und mitunter wenig Bereitschaft zur Flexibilität. Auch wenn eine TV-Doku nicht die Umstände verändert, so kann sie doch sensibilisieren – für die weitgereisten Menschen, ihre Hoffnungen und Vorstellungen – und ihre schwierige Situation.