Der Dreiklang von Ästhetik, Geografie und Abenteuer treibt ihn immer wieder in die Wüste: Michael Martin bereist seit 45 Jahren die Wüsten dieser Erde. Auch wenn es vieles gibt, das den Fotografen und Geografen interessiert, in die Wüste kehrt er immer wieder zurück. „Die Sterne haben mich dahin gebracht“. Martin ist Fotograf, Vortragsreferent, Abenteurer und Diplom-Geograf. Wüstenexperte könnte man auch sagen.
Als Schüler war er Hobby-Astronom, und da er unbedingt den Südsternhimmel sehen wollte, fuhr er als Siebzehnjähriger zusammen mit seinem Freund Achim auf einem Mofa nach Marokko. „Es war aber eine einzige Fehlplanung“, meint Martin rückblickend. Allein die Reise hat die beiden fünf Wochen gekostet und dann war es um die Jahreszeit dort sehr dunstig, sodass nicht viel zu sehen war. „Aber ich habe da am Rande der Sahara gestanden und gespürt: Das ist meins. Da hat es mich gepackt“.
Ästhetik, Geografie und Abenteuer treibt Michael Martin in die Wüste
Die Reduktion von Farbe und Form, die Kräfte der Natur – „es ist ein Abenteuer und das ist es über die letzten 45 Jahre geblieben.“ Für den Fotografen ist es ein Dreiklang aus Ästhetik, Geografie und Abenteuer, der ihn immer wieder in die Wüste treibt. Bereits als 20-Jähriger hatte er schon zehn Sahara-Reisen hinter sich.
Ein weiterer Dreiklang für Michael Martin: reisen, fotografieren, präsentieren. Schon als Jugendlicher hat er damit begonnen, von seinen Reisen, seinen Abenteuern zu berichten und Vorträge zu halten. In den 80ern habe das großen Anklang gefunden. „Fernreisen waren vorher ja etwas für Privilegierte, es entwickelte sich erst langsam, dass junge Leute auf Reisen gingen und begannen die Welt zu sehen.“
Damals sei das alles nicht so einfach gewesen. Reisen war viel schwieriger, gefährlicher. „Wenn Sie heute irgendwo hinwollen, dann googeln Sie das erstmal. Das ging damals nicht. Ich war oft ohne Information und Ahnung unterwegs.“
Mit jeder Reise wuchs sein Wissen, insbesondere über die schwierigen Bedingungen in der Wüste. Heute wäre ihm eine Standard-Wüstendurchquerung viel zu langweilig, es muss schwieriger sein, sagt Michael Martin. „Ich habe heute aber auch GPS und ein Satellitentelefon und kann mir auch aus der Entfernung ein Hotel buchen. Es ist einfacher geworden, auch wenn ich es mir nie einfach gemacht habe.“
Von Sandwüsten, Trockenwüsten, Geröll-, Kies- und Gebirgswüsten
Bei seinen Reisen ist er aber nie allein. Er sei einfach kein Einzelgänger, außerdem brauche er für seine Projekte Unterstützung und auch jemanden, der ihn fotografiert. „Das ist für mich Arbeit, Urlaub mache ich in Italien.“ Gerade ist er aus der Wüste in Namib zurück. In zweieinhalb Wochen sind seine Frau und er viele Tausend Kilometer gereist und er hat 11.000 Bilder gemacht.
Wüsten sind dem Fotografen bei Weitem nicht genug. „Ich wollte mich auch darüber hinaus orientieren, ich will die ganze Welt sehen. Aber die Wüste ist und bleibt das, was mich am meisten fasziniert. Und auch womit ich identifiziert werde.“ Die Wüste, das ist eben sein Spezialgebiet.

So weiß er, dass die meisten Menschen bei Wüste ein völlig falsches Klischee vor Augen haben. Denn sie denken an Sand. „Sandwüsten sind aber die absolute Ausnahme, nur zehn Prozent der Trockenwüsten sind Dünen und nur 20 Prozent von Sand bedeckt.“ Neben Sandwüsten unterscheide man Trockenwüsten noch in Geröll-, Kies- und Gebirgswüsten. Und dann gebe es natürlich noch Wüsten in Polarregionen, die in Kälte- und Eiswüsten unterschieden werden. „Man kann Trockenwüsten auch danach unterscheiden, warum sie Trockenwüsten sind. Dann spricht man von Wendekreiswüsten wie der Sahara, Reliefwüsten wie der im Death Valley, Kontinentalwüsten wie Gobi und Küstenwüsten wie Atacama.“
Michael Martin: Die Sahara ist die „Königin der Wüsten“
Seine Lieblingswüste ist immer noch die erste, die er gesehen hat, die Sahara. „Man nennt sie nicht ohne Grund Königin der Wüsten oder auch den Himalaya der Wüsten“, sagt Michael Martin schwärmerisch. Sie reicht vom Atlantik bis ans rote Meer, hat eine Ost-West-Ausdehnung von 6000 Kilometern. 40 Mal war er schon da. Leider sei sie mittlerweile aber größtenteils eine No-Go-Area. „Islamisten machen die entlegenen Gebiete unbereisbar, es ist viel zu gefährlich.“
Das Besondere an der Sahara sei ihre Größe, dass alle Landschaftsformen in ihr vorkommen – also Sand-, Geröll-, Kies- und Gebirgswüste. „Es sind immer extremste Verhältnisse.“ Besonders sei auch, dass man in den Südländern noch das traditionelle Leben der Oasenbauern beobachten könne.
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In Wüsten sei einfach alles intensiver. „Wenn man Menschen begegnet, dann ist das immer etwas Besonderes. Wenn man Pflanzen sieht, ist das was Besonderes. Wenn man Tiere sieht, ist das was Besonderes. Einfach, weil es so selten ist.“ Es ist aber auch der Kontrast, der Michael Martin fasziniert. Denn immer, gesteht er, würde er nicht in der Wüste sein wollen. „Es ist das Andere. Ich mag die Kontraste. Wir leben in üppiger Natur in Deutschland, in der Wüste ist es reduziert und karg. Die Wüste ist der maximale Kontrast zu den bayerischen Almwiesen, durch die ich gerade fahre.“
Der Mensch ist biologisch für die Wüste nicht gemacht
Auch Gefahren lauern in der Wüste, das weiß Michael Martin sehr genau. „Der Mensch ist für die Wüste nicht gemacht. Er hat sich zwar vor Ort kulturell angepasst und entsprechend ausgerüstet, aber physiologisch nicht.“ Würde man einen Menschen in der Sahara am Morgen nackt aussetzen, sei er am Abend tot. Man könne schnell in blöde Situationen geraten, daher ist die Ausrüstung wichtig. „Ich würde sagen, was es für mich sicher macht, ist eine Kombination aus der richtigen Ausrüstung, Erfahrung und Vorsicht. Die frühen Jahre waren sehr viel gefährlicher, weil ich da ohne GPS unterwegs war.“ Heute ist die größte Gefahr für den Fotografen der Mensch und die Sicherheitslage. Schlangen, Skorpione – das würde völlig überschätzt.
Wenn er für Anfänger und Interessierte eine Wüste empfehlen sollte, dann wäre es die Namib-Wüste. „Sie ist überschaubar, sicher und außerdem landschaftlich abwechslungsreich. Da es eine gute Infrastruktur gibt, ist es auch für Anfänger machbar“, so Martin. In Australien sei es keine echte Wüste, die Atacama sei unattraktiv, in den USA gäbe es vor allem in den Nationalparks schöne Wüstenabschnitte.
Natürlich würde er gern die Sahara empfehlen. „Klar, die wärs! Aber das geht einfach nicht mehr, weil es die Sicherheitslage nicht zulässt.“ Genug zu sehen und zu entdecken gibt es in jedem Fall. Zählt man die gängigsten Namen dann gäbe es etwa 30 bis 40 Wüsten. Das sei schwer zählbar, weil es oft verschiedene Bezeichnungen gäbe. Einfacher sei da eine andere Zahl: „Ein Drittel der Landoberfläche unserer Erde ist Wüste, mehr als wir Steppe, Regenwald oder andere Landschaften haben“, sagt der Experte.
Es war sein Interesse an Geografie und Fotografie, das ihn in die Wüste getrieben hat. Man könnte sagen, sie hat ihn süchtig gemacht. „Es ist das Erleben absoluter Freiheit, wenn man 150 Kilometer fahren kann, ohne auch nur eine Spur zu entdecken. Diese Weite, das ist einfach stark.“