Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer betrifft auch Gemeinden und diakonische Werke.
Von Uli Schulte-Döinghaus
Am 10. April hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die bisherige Berechnung der Grundsteuer verfassungswidrig ist. Die Steuer müsse bis spätes – tens 2025 umgebaut werden. Grundsteuer auf den Besitz eines Grundstückes müssen Eigentümer von Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie Grundstücken aber auch danach bezahlen, daran wird sich im Prinzip nichts ändern. Nur zur Illustration und sehr vereinfacht: Die Grundsteuer beträgt für ein durchschnittliches Einfamilienhaus in einem durchschnittlichen Bundesland zurzeit rund 500 Euro im Jahr. In aller Regel wird die Grundsteuer auf Mieter und Pächter abgewälzt. So gut wie alle Bürgerinnen und Bürger sind also betroffen. In der Bundesrepublik gibt es rund 35 Millionen Grundstücke. Mit der darauf erhobenen Grundsteuer fließen rund 14 Milliarden in die Kassen der deutschen Städte und Gemeinden. Bisher gibt es zwei Arten der Grundsteuer, die Grundsteuer A für landwirtschaftliche Flächen und die Grundsteuer B für alle übrigen Grundstücke, unabhängig davon, ob sie bebaut oder unbebaut sind. Mit einer neuen Grundsteuer C will die Große Koalition Immobilienspekulation mit unbebauten Grundstücken verhindern. Wohnungsgrundstücke, die nicht bebaut werden, sollen höher versteuert werden als bebaute Wohnungs -grundstücke. Vor dieser neuen Grundsteuer C warnt Dennis Beyer, Geschäftsführender Vorstand des Evangelischen Immobilienverbandes Deutschland (eid): „Eine Grundsteuer C dürfte nicht geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, dass baureife Grundstücke, für die eine Baugenehmigung vorliegt, schneller bebaut werden. Frühere Versuche mit einer solchen Steuer haben sich nicht bewährt und wurden schnell gestoppt.“ Wie viele Grundstücke im Besitz von Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Landeskirchen oder diakonischen Werken und Stiftungen sind – darüber gibt es keine abschließende Statistik. Jedes katho lische Bistum und jede evangelische Landeskirche hat eine eigene Auflistung. Aus einer Übersicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geht immerhin hervor, dass mehr als 74 000 Gebäude (meist Kirchen, Pfarrhäuser, Kitas und Gemeindezentren) in evangelischer Verantwortung sind, hinzu kommen diakonische Einrichtungen. Der gesamte „evangelische“ Grundbesitz in Deutschland beträgt knapp 4 000 Quadratkilometer, ist also flächenmäßig etwas größer als das Saarland und etwas kleiner als das Ruhrgebiet.
Aber die Kirchen sind auch einflussreiche Wohnimmobilienbesitzer. Allein die Berliner Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS) verwaltet als Immobilienunternehmen der EKBO rund 10 000 Einheiten, meist von evangelischen Kirchengemeinden oder diakonischen Trägern. Im EKDPortal www.kirchengrund – stuecke.de ist gut zu erkennen, welche Wohn-, Gewerbe- und Bauimmobilien von kirchlichen Trägern gerade verkauft oder vermietet werden. Müssen solche kirchlichen oder dia konischen Grundbesitzer Grund steuern bezahlen? Und was kommt auf sie und ihre Mieter womöglich nach einem Umbau der jetzigen, verfassungswidrigen Regelung zu? Wenn der kirchliche Immo – bilien besitz genutzt wird, um an ganz gewöhnliche Wohnungs- oder Gewerbemieter zu vermieten, muss auch demnächst Grundsteuer bezahlt werden. Diese Kosten werden, wie gehabt, auf Mieter und Pächter umgelegt. Grundbesitz freilich, der für gemeinnützige, religiöse oder mildtätige Zwecke benutzt wird, ist grundsätzlich nicht steuerpflichtig – auch dann nicht (mit Ausnahmen), wenn da – rauf Dienstwohnungen für Pfarrer stehen oder wenn die Erlöse aus dem sogenannten Pfarrvermögen von der Landeskirche genutzt werden, um ihre Pfarrer zu besolden.
Kenner der Materie wie Hartmut Fritz, Leiter der Finanzabteilung im EKBOKonsistorium befürchten bisweilen, dass steuerbefreiende Regelungen für kirchliches Immobilienvermögen im Rahmen einer Grundsteuerreform und vor dem Hintergrund eines kirchen – skeptischen Zeitgeistes „angefasst werden könnten“. Dann kämen, so Hartmut Fritz, auf die kirchlichen Träger zusätzliche millionenschwere Steuern und Abgaben zu, die sie für diakonische, seelsorgliche, soziale und kulturelle Zwecke dringender denn je brauchten. „Aber bis 2025, wenn die Neuregelung der Grundsteuer in Kraft treten muss, ist noch Zeit für die kirchlichen Interessenvertreter, um Fehlentwicklungen aufzuhalten“, sagt Dennis Beyer.