Der Fund eines Nürnberger Pestfriedhof mit acht Massengräbern könnte für die Geschichtsforschung in Deutschland und Europa bedeutsam sein. Das sagte Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) am Dienstag bei einer Ortsbegehung westlich der historischen Altstadt. Dort sind bereits im Herbst vergangenen Jahres bei Bauarbeiten für ein neues Seniorenheim die ersten Funde gemacht worden.
Das sei nicht ganz unerwartet, denn in den Kartierungen der Stadt Nürnberg gelte dieses Areal als „archäologische Verdachtsfläche“, sagte Stadtarchäologin Melanie Langbein. Mit einer vorsichtigen Hochrechnung von „über 1.000 Nürnberger Pesttoten“ sei es deutschlandweit der größte Fund seiner Art. Aktuell sind über 800 sterbliche Überreste geborgen worden, allerdings: Die Zahlen ändern sich täglich.”
Die Gräber werden fotografisch dokumentiert und dann mit dem Pinsel Schicht für Schicht abgetragen. Dabei werden Knochenfunde gleich markiert und nummeriert, ebenfalls dokumentiert und personenweise in einer Box gesichert.
Die bereits geborgenen Pestopfer sind ein Querschnitt der Bevölkerung, der einstigen freien Reichsstadt. Man finde Junge und Alte, Männer und Frauen. Bei manchen Toten wurden noch Überreste von Leichentüchern entdeckt, ihre Arme lagen eng am Körper. In anderen Fällen wurden Pesttote einfach in die Grube geworfen, deren Extremitäten lagen durcheinander auch auf anderen Pestopfern. „Im Eifer des Gefechts wurde damals nicht sorgfältig mit den Toten umgegangen“, vermutet Langbein.
Die Pest war ab dem späten Mittelalter keine Ausnahmeerscheinung. „Alle zehn Jahre gab es in Nürnberg eine Pestwelle“, erläuterte Langbein. Auch der Ort sei durch seine Nähe zum einstigen Sebastianspital an der Großweidenmühle, wohin einst die Pestkranken aus der Stadt außerhalb der Stadtmauern untergebracht wurden, schlüssig. Zu dem ersten Pestfriedhof Nürnbergs aus dem Jahr 1395, ganz in der Nähe auf dem Gebiet des heutigen Johannisfriedhofs, gebe es keine Verbindung.
Fachlich freut sie sich über die gute Erhaltung der Gebeine. Sie waren bis zu den Bauarbeiten durch eine 3,5 Meter dicke Schicht aus Kriegsschutt aus dem Zweiten Weltkrieg geschützt. Überrascht war sie allerdings über die grünliche Einfärbung der Totenknochen. In Zeiten der früheren Industrialisierung fand sich in der Nähe eine Kupfermühle, so ihre Begründung. Die habe hier ihre Abfälle entsorgt und so die Verfärbung verursacht.
Offen ist für Langbein aktuell auch, ob sie tatsächlich nur auf Pestopfer stößt. Für sie nicht ausgeschlossen ist es, dass sich möglicherweise unter den gefundenen Massengräbern auch zwei Choleragräber finden. Das wird sich erst mit den weiteren Ausgrabungen zeigen. Für Bevölkerung oder Nachbarn „besteht praktisch keine Ansteckungsgefahr“, ist sich Langbein sicher.