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Wissenschaftlerin: Fachkräfte für Kinderschutz besser ausbilden

Für ein verpflichtendes Lehrangebot zum Thema Kinderschutz in allen pädagogischen Studiengängen kämpft die Erziehungswissenschaftlerin Maud Amal Nordstern seit knapp drei Jahrzehnten. Noch immer sei es in Deutschland „mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob jemand im Bereich Kinderschutz ausgebildet in die Praxis geht oder nicht“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Professorin für Jugendhilfe und Kinderschutz an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) hat sich Anfang April in den Ruhestand verabschiedet.

Die Frankfurt UAS hat verpflichtende Lehrinhalte zum Thema Kinderschutz im Curriculum der Studierenden für Soziale Arbeit im Jahr 2013 verankert. Das hätten in der Folgezeit auch viele andere Hochschulen getan, nachdem das Kindschaftsrecht nachgeschärft wurde, erläuterte Nordstern. „Die Juristen haben viel Fleißarbeit geleistet, aber das hilft nicht, wenn flankierend etwa im Jugendamt die Rahmenbedingungen nicht stimmen, das heißt, wenn bei den Fachkräften die Qualifikation fehlt.“

Auch die Evangelischen Hochschulen bildeten keine Ausnahme, sagte Nordstern, die 2013 mit dem Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnet worden ist. Dort, wo der Kinderschutz überhaupt in den Vorlesungsverzeichnissen stehe, sei er oft reduziert auf sexuelle Gewalt. „Das reicht aber nicht aus“, betonte Nordstern.

Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, sollten wahrnehmen können, wann diese in Not sind. Die Ursache könnten schwere Vernachlässigung sein, Misshandlung, sexualisierte oder seelische Gewalt oder bei kleinen Kindern auch Schütteltraumata. Die Fachkräfte sollten nach den Worten von Nordstern in der Lage sein, das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen oder gut zu beobachten. Sie sollten auch wissen, wie sie zu dokumentieren haben und welche Abläufe die Schutzpläne ihrer Einrichtung vorsehen.

Zur Basisqualifikation gehöre das Wissen um suggestionsfreie Gesprächsführung, führte Nordstern aus. Fachkräfte sollten ebenso Bescheid wissen über Verhalten, das zum Risiko für das Kind werden kann. Es komme immer wieder vor, dass sich ein Kind etwa im Hort einer pädagogischen Fachkraft anvertraue, die dann die Mutter anspreche und das Kind anschließend nach Hause gehen lasse. „Und das Kind ist danach blutig geprügelt.“

Das Basiswissen gehöre in alle pädagogischen Bachelor-Studiengänge, forderte Nordstern. Fallverantwortliche Fachkräfte hingegen, die im Jugendamt oder mit schwer traumatisierten Kindern arbeiten oder Familienhilfe in riskanten Situationen leisten, „müssen mehr wissen, psychologisch, rechtlich, pädagogisch“, betonte die Wissenschaftlerin. Für ein solches spezialisiertes Fachwissen sehe die Studienlandschaft eigentlich Masterstudiengänge vor. Vereinzelt gebe es diese als Weiterbildungsangebote, auch an Fernuniversitäten, die Studierende selbst finanzieren müssen. „Ich würde mir das von staatlichen oder kirchlichen Fachhochschulen mit Präsenz wünschen. Nur aus der Ferne kann man ein Lehrangebot zum Kinderschutz eigentlich nicht machen“, urteilte Nordstern.