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„Wissen schafft Leben – Liebe schafft Leben“

Eine Organisation deutschstämmiger Farmer kämpft in Südafrika gegen Aids. Drei Kleinbusse für die gesundheitliche Versorgung der Landbevölkerung sind im Einsatz. Eine Delegation der Landeskirche erhielt Einblick in die Arbeit

Vor Kurzem hat eine westfälische Kirchenleitungsdelegation Südafrika besucht. Sie erhielt Einblick in gewaltige Probleme, aber auch in hoffnungsvolle Lösungsansätze.

Nompumelelo Nkosi* ist mit der Politik des herrschenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) unzufrieden wie viele andere auch. Die 35-Jährige schlägt sich mit verschiedenen Putzstellen durch, kann sich und ihre beiden Kinder gerade so über die Runden bringen. Die Regierung macht leere Versprechungen, findet sie, es herrscht Vetternwirtschaft, der Verwaltungsapparat ist aufgebläht.
In der Tat ist die staatliche Bürokratie in Südafrika der einzige Bereich, wo im Lauf der vergangenen 20 Jahre Arbeitsplätze geschaffen wurden, bestätigt Renier Koegelenberg, der Leiter des Instituts für theologische und interdisziplinäre Forschung der Universität Stellenbosch.
Aber könnte Nompumelelo Nkosi für eine andere Partei stimmen? Ausgeschlossen. Die Ahnen wären gekränkt, wenn sie nicht dem ANC, der die Apartheid besiegt hat, ihre Stimme gäbe. Es wäre ein Verrat am Erbe Nelson Mandelas, das steht für die junge Frau fest.

Einmal im Monat kommt die mobile Krankenstation

Mit dem ANC hat das Land praktisch ein Einparteiensystem. 62,15 Prozent hat er bei der letzten Wahl bekommen. Das sind zwar beinahe vier Prozentpunkte weniger als zuvor. Doch trotz aller Unzufriedenheit, schätzt der deutsche Botschafter in Pretoria, Walter J. Lindner, werden auch weiterhin viele den ANC mittragen – komme, was wolle. Denn so lange die Generation noch eine Rolle spielt, die den Kampf gegen die Apartheid mitgemacht hat – also die Bevölkerung ab 40 –, so lange zählen Emotionen. Und die sind so stark, dass andere politische Kräfte kaum eine Chance haben.
Nelson Mandela: In seiner Person verdichten sich Freiheitskampf und Heldentum zum Fundament des neuen Südafrika. 27 Jahre war er im Gefängnis, und auch hier wirkten seine Hoffnung und tiefe Überzeugung auf andere. Immer wieder ermutigte er seine Mithäftlinge: Wir müssen uns gemeinsam vorbereiten auf die Zeit nach der Apartheid. Dann kam das Jahr 1994, Mandela wurde erster schwarzer Präsident seines Landes. Die Hoffnungen waren riesengroß.
Heute kämpft dieses Land mit riesengroßen Herausforderungen. Aids ist eine davon, 6,2 Millionen der 52 Millionen Einwohner Südafrikas sind HIV-positiv. Jährlich sterben 200 000 Menschen an Aids, gleichzeitig infizieren sich 100 000 neu. Über zwei Millionen Kinder sind Aids-Waisen.
Johann Engelbrecht will diesem Elend nicht tatenlos zuschauen. Er ist einer der deutschstämmigen Südafrikaner, die in der Gegend von Commondale leben. Ihre Vorfahren, vor etwa 150 Jahren eingewandert, haben evangelisch-lutherische Kirchengemeinden gegründet, die Lüneburg, Braunschweig oder Wittenberg heißen. Es sind fromme Leute, die sich regelmäßig zu Bibelarbeiten und Gebetskreisen treffen.
Jeden Morgen versammelt Farmer Engelbrecht seine 56 Angestellten zur Andacht. Die Heilige Schrift wird hier schlicht, klar und einfach ausgelegt. Welcome Mgwemya, der in einer der deutschen Gemeinden als Prediger angestellt ist, berichtet von seiner Bewahrung bei einem Autounfall: Das Fahrzeug ist nur noch Schrott, ihm ist fast nichts passiert. Die Dankbarkeit für dieses Wunder möchte er teilen. Mögen doch alle Gottes Liebe erkennen und sich für Jesus entscheiden!

Wer positiv auf Aids getestet wird, erfährt das sofort

Engelbrecht und seine Nachbarn sind aber nicht nur fromme, sondern auch tatkräftige Leute, die Gottes Liebe an andere weitergeben wollen – besonders an die Notleidenden wie zum Beispiel Aidskranke. Oder Kindern, deren Eltern an der Krankheit gestorben sind. Johann Engelbrecht gehört zu den Gründern der Initiative „Thol‘ulwazi Thol‘impilo“, was sich aus dem Zulu etwa übersetzen lässt mit: Wissen schafft Leben, Liebe schafft Leben. Drei mobile Krankenstationen haben sie schon angeschafft, die vierte ist geplant.
Einer dieser Kleinbusse macht an diesem Morgen in Beyers Station, einer Eukalyptusfarm. Vor dem Auto stehen geduldig etwa zwanzig Personen Schlange. An die 500 Menschen leben in Beyers, die meisten Männer arbeiten auf der Farm. Einmal im Monat kommt die mobile Krankenstation.
Die Initiative „Kirchen und Wirtschaft gemeinsam gegen HIV/AIDS“ (CHABAHIVA), hauptsächlich getragen von der Evangelischen Kirche von Westfalen, hat hier Starthilfe geleistet. „Thol‘ulwazi Thol‘impilo“ ist Partner vor Ort. Mit Hilfe von CHABAHIVA konnten sie nicht nur die mobilen Gesundheitseinheiten einrichten, die in der ganzen Region an fünf Tagen in der Woche im Einsatz sind. Es gehört auch ein Netzwerk von „Peer Educators“ dazu, speziell ausgebildeten Frauen und Männern, die auf Honorarbasis in den Farmen und Dörfern aktiv sind.
Sie beraten, informieren über Gesundheitsvorsorge und helfen bei Problemen. Manche sind selber HIV-positiv. Sie können besonders überzeugend darüber aufklären, wie wichtig es ist, seinen HIV-Status zu kennen. Immer noch werden Aidskranke in diesem Land sozial geächtet. Das hält viele davon ab, sich testen zu lassen. Doch nur bei rechtzeitiger Behandlung lässt sich verhindern, dass die Krankheit zum Ausbruch kommt.
Bei der Krankenschwester im Auto sitzt jetzt eine junge Frau mit ihrem etwa einjährigen Kind. Das kleine Mädchen wird untersucht und gewogen, die Schwester gibt der Mutter Anweisungen und Medikamente.  Auch Aids-Tests sind hier möglich. Das Ergebnis erfährt man sofort. Ist der Patient HIV-positiv, muss er ins Krankenhaus zu einer Laboruntersuchung, damit das Stadium der Infektion festgestellt werden kann. Entsprechend werden die Medikamente dosiert.
Das Gesundheitsministerium der Provinz Mpumalanga ist dankbar für die Initiative. Das war lange anders. Sie wurde zunächst vom Staat ignoriert. Erst nachdem sich Verantwortliche von CHABAHIVA eingeschaltet hatten, änderte sich das. Das Ministerium trägt nun die Personalkosten für die Schwestern und gibt einen Zuschuss. Daraus erhalten die Peer Educators ihr Honorar. Die Anschaffung der Fahrzeuge war unter anderem durch die italienische Waldenser-Kirche möglich. Die laufenden Kosten für die Autos bringt die Initiative Thol‘ulwazi Thol‘impilo aus Spenden auf.
„Für so viele Menschen in unserem Land gibt es keine Hoffnung“, sagt Johann Engelbrecht. Er und seine Kollegen verkörpern Hoffnung für einige von vielen.

* Name geändert.