„Diese Ausstellung sollte jeder sehen“, sagt der ehemalige Boxer Oswald Marschall über „Längst vergessene Held*innen – Sinti und Roma im Sport“ in der Nürnberger „Kulturwerkstatt Auf AEG“. Marschall selbst reihte Anfang der 1970er-Jahre in der Gewichtsklasse Weltergewicht Sieg an Sieg. Mit hartem Training bereitete er sich auf die Teilnahme an Olympia 1976 vor und wäre damit der erste deutsche Sinto bei Olympia gewesen. Aber der Boxverband nominierte ihn gegen alle Gepflogenheiten ohne Angaben von Gründen nicht. Damals konnte er sich das nicht erklären. Heute sagt der Mitarbeiter vom Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma in Nürnberg: „Das war Diskriminierung“.
Die kleine Ausstellung selbst rückt beeindruckende Sport-Persönlichkeiten in den Fokus. Neben Boxer Marschall finden sich die Fußballspielerin Anni ‘Angel’ Theiß, Fußballkollege Walter Laubinger oder der Kickboxer Gerard Lindner. Sie alle einen ihre herausragenden Leistungen im Sport sowie ihre Entscheidung, ihre Herkunft als Sinti oder Roma nicht zu verbergen. Das ist für Marschall, der als Boxtrainer arbeitet, alles andere als der Normalfall. „Auch im Jahr 2025 gibt es allein sieben Bundesligaspieler, die sich nicht outen“, weiß er. Selbst ein mittlerweile verstorbener deutscher Weltfußballer habe seine Herkunft zu Lebzeiten immer verheimlicht.
Deshalb will Marschall über Integration sprechen und die Klischees von Sinti und Roma thematisieren. Dazu bietet der Landesverband Bayern der Deutschen Sinti und Roma auch kostenlose Schulworkshops zum Thema Rassismus an. „Wir sind Menschen mit guten und mit schlechten Seiten“, hebt der Ex-Boxer hervor. Doch oftmals erlebe er Ressentiments durch Verallgemeinerung, dann heiße es „ihr“ oder „euch“. Dabei ist ihm wichtig: „Wir sind doch in erster Linie Deutsche.“ Die Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland ist seit mehr als 600 Jahren dokumentiert.
Gerade im Fußballstadion ist Antiziganismus keine Seltenheit. Dazu gehören auch menschenfeindliche Fangesänge. „Das ‘Z-Wort’ wird immer im negativen Sinne gebraucht“, beklagt Marschall. Zwar engagieren sich Sportvereine und der Deutsche Fußballbund (DFB) gegen rassistische, antisemitische oder homophobe Diskriminierungen. Doch der Kampf gegen Stigmatisierungen mit dem Z-Wort steckt noch in den Kinderschuhen.
Die frühere Profifußballerin Célia Šašić hat den Bedarf jedoch längst im Blick. „Wir planen auch eine Veranstaltung zum Antiziganismus“, sagt die DFB-Vizepräsidentin, die für Diversität und Vielfalt zuständig ist. Sie sieht im Sport ein weitreichendes Potenzial für gesellschaftliche Inklusion, das Grenzen überwinden könne: „Auf dem Spielfeld vereint der Sport, jedes Team ist vom ‘Wir’ getragen“, ist sie überzeugt. Mit Blick auf die Ausstellung würdigt sie auch den selbstbewussten Umgang von Angel Theiß mit ihrer persönlichen Geschichte. „Sie ist stolz auf die eigene Herkunft auf dem Platz und neben dem Platz.“
„Längst vergessene Held*innen“ schließt gewissermaßen eine Lücke in der deutschen Sportgeschichte. Sie erinnert an Namen wie etwa Johann ‘Rukeli’ Trollmann, der als Sinto und Boxer während des Nationalsozialismus ermordet wurde. Bis heute sind die sportlichen Leistungen vieler anderer Sinti und Roma weitgehend unbekannt. Zu diesem vernachlässigten Kapitel der deutschen Sportgeschichte setzt die Ausstellung einen Gegenpunkt. Deshalb wünscht sich Šašić: „Tragen Sie die Botschaft dieser Ausstellung weiter.“