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“Wir erwarten, dass mit den Betroffenen geredet wird, nicht über sie”

Die Schweriner Stadtvertretung hat am 9. Dezember 2024 die Stadtverwaltung beauftragt, ein Konzept zur möglichen Einführung einer Arbeitsverpflichtung für Bürgergeldempfänger zu erarbeiten. Sandra Rieck vom Sprecherrat des Erwerbslosenbeirates Mecklenburg-Vorpommern sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), wie der Erwerbslosenbeirat das Vorhaben bewertet.

epd: Wie sieht der Erwerbslosenbeirat MV solch eine eventuelle Arbeitspflicht für Empfänger von Bürgergeld?

Sandra Rieck: Eine unserer langjährigen Forderungen ist das Recht auf soziale Teilhabe. Ein adäquates Instrument zur Teilhabe waren in der Vergangenheit die Arbeitsgelegenheiten. Die drastischen Kürzungen bei den Arbeitsgelegenheiten haben für viele Bürgergeldempfänger und -empfängerinnen sehr negative Folgen. Man nahm ihnen damit die Möglichkeit, teilzuhaben und mit der Mehraufwandsentschädigung das Einkommen zu erhöhen.

Wir lehnen aber entschieden ab, dieses Instrument als Arbeitspflicht zu betrachten. Die Arbeitsgelegenheiten sollten vielmehr ein wertvolles Integrationsinstrument werden. Dazu müssten diese aber wieder einen anderen Stellenwert in der Arbeitsmarktpolitik erhalten und dementsprechend inhaltlich und organisatorisch anders ausgestattet werden.

epd: Wie könnten Menschen sinnvoll wieder in Arbeit gebracht werden?

Rieck: Wir halten die Arbeitsgelegenheiten für ein Integrationsinstrument, das bei entsprechender Ausstattung durchaus sinnvoll und erfolgreich sein kann. Sehr gute Erfahrungen konnten mit den Maßnahmen nach Paragraf 16 i SGB II für Langzeitarbeitslose gemacht werden, die jedoch wegen unzureichender finanzieller Mittel in den Jobcentern fast nicht mehr umgesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Qualifizierung, Weiterbildung und Coaching.

epd: Welche Erwartungen hat der Erwerbslosenbeirat an den künftigen Bundestag im Blick auf arbeitslose Menschen?

Rieck: Dass man unsere Expertise viel mehr nutzt. Dass man nicht weiter über die Betroffenen, sondern mit ihnen über ihre Bedürfnisse und Bedarfe spricht. Dass das Eingliederungsbudget nicht weiter gekürzt wird. Dass man unsere Forderungen, die von Betroffenen erarbeitet und verabschiedet worden sind, ernst nimmt. Dass man die Selbstwirksamkeit der Betroffenen stärkt. Dass die unsägliche Debatte über das Bürgergeld beendet wird und dass die Wertschätzung den Betroffenen gegenüber zurückkehrt.