Am 25. Mai ist Tag des Weins. In den USA ausgerufen, feiern ihn inzwischen Weinliebhaber in aller Welt. So auch in Wien, der nach eigenen Angaben einzigen Metropole der Welt mit Weingärten innerhalb der Stadtgrenzen.
Wer in der Wiener Innenstadt zum Stephansdom aufblickt, ahnt wohl kaum, dass hier mit Wein gebaut wurde: Weil der Jahrgang 1450 zu sauer war, ordnete der Kaiser an, zumindest den Mörtel für den Umbau des Gotteshauses damit anzurühren, so die Legende. Bis heute bleibt Wien nach eigenen Angaben die einzige Hauptstadt mit wirtschaftlich bedeutendem Weinanbau innerhalb der Stadtgrenzen.
Die Liebe der Wiener zum Wein offenbart sich schnell jedem, der die Straßenbahn aus der City in die nördlichen Vororte nimmt. Seit Jahrhunderten verpflegen die Heurigen ihre Gäste dort mit mehr als nur selbstangebautem Wein. Der Besuch der urigen Lokale, meist als Familienbetriebe geführt, ist ein Lebensgefühl: Auf Holzbänken schunkeln Freunde zu Wienerliedern, in einer Ecke liest ein älterer Herr vor einem Glas Wein die Tageszeitung, aus der Küche dringt der Duft von Schweinsbraten und Schnitzel.
“Das Besondere am Heurigen ist die lange Tradition. Sie geht auf Kaiser Joseph II. zurück, der Bauern erlaubte, ihre Produkte ohne Gewerbeberechtigung zu verkaufen, oder eben auszuschenken”, erzählt Matthias Kierlinger. Seit mehr als 230 Jahren betreibt seine Familie den gleichnamigen Heurigen am Fuße des Wiener Nussbergs. Er selbst ist die siebte Generation der Winzer-Dynastie – und hofft, dass auch sein Sohn oder seine Töchter den Betrieb fortführen. Wien ohne Wein? “Das wäre für mich nicht vorstellbar”, sagt Kierlinger und lacht.
Dem stimmt Katharina Fraiß, Vertreterin der Landwirtschaftskammer Wien, naturgemäß zu: “In Wien bewirtschaften über 170 Weinbaubetriebe rund 600 Hektar Rebfläche – etwa ein Drittel davon biologisch, was im österreichweiten Vergleich einen Spitzenwert darstellt.” Pro Jahr würden in Wien rund 2,3 Millionen Liter Wein gekeltert. Auch für die Touristendestination sei der Weinanbau ein Alleinstellungsmerkmal. Damit das so bleibt, hat die Stadt ihre Weingärten unter Schutz gestellt.
Wien und Wein: Diese Verbindung ist so alt wie die Stadt selbst. Bereits die Kelten und Römer pflanzten hier erste Weinreben. Auf römischem Fundament im Wiener Nobelvorort Döbling steht heute der Heurige “Mayer am Pfarrplatz”. Eine historische Adresse, wie Geschäftsführer Gerhard Lobner sagt, denn über dem Traditionsheurigen wohnte einst Ludwig van Beethoven.
Neben internationalen Sorten und den österreichischen Reben Zweigelt und Grüner Veltliner wird am Weingut auch der Wiener Gemischte Satz angebaut. Er gilt als Aushängeschild des lokalen Weinbaus. Das Besondere: In einem Weingarten wachsen verschiedene Rebsorten, die gemeinsam geerntet und zu Wein vergoren werden. “Das ist gleichzeitig das, was unsere Stadt ausmacht: Sie war von jeher ein Schmelztiegel von Westen, Osten, Süden und Norden”, so Lobner.
Ein Trend der vergangenen Jahre ist alkoholfreier Wein. Genauer: Wein, dem unter Vakuumdestillation Alkohol entzogen wird. Die jüngere Generation lebe bewusster, erzählt Lobner. Doch auch Weinenthusiasten schätzten die alkoholfreie Variante. Zugleich polarisiere das Thema wegen der CO2-Bilanz. Derzeit gibt es in Österreich noch keine entsprechende Produktionsanlage. Der Wein muss nach Deutschland und wieder zurück transportiert werden: Laut Lobner eine “Übergangslösung” – auf die man in naher Zukunft hoffentlich nicht mehr zurückgreifen müsse.
Weinbau heißt Veränderung. Das hat man auch am “Cobenzl” erkannt. Das Weingut befindet sich als Teil des städtischen Forst- und Landwirtschaftsbetriebs seit mehr 110 Jahren im Besitz der Stadt Wien. Dadurch kenne man auch die Probleme privater Winzer, erzählt Leiter Georg Königsbauer. Er erzählt von häufiger auftretenden Wetterextremen: “Ich kann mich an Ernten in meinen Kinderjahren erinnern, bei denen es neblig war bei zehn Grad. Heute müssen wir uns darauf einstellen, dass wir im September bei 30 Grad ernten.”