Herr Eschenburg, heute war Ihr letzter Arbeitstag, wie geht es Ihnen?
Wieland Eschenburg: Es ist ein emotionaler Einschnitt, jetzt räume ich zusammen. Zum Beispiel das Plakat vom ersten Pfingstbergfest 1989, das mich in all meine Arbeitsstätten an unterschiedlichen Orten begleitet hat. Die Akten sind übergeben, dieses Gespräch ist nun sozusagen die letzte Amtshandlung. Morgen gebe ich meinen Büroschlüssel ab.
Nach acht Jahren. Was hat Sie damals zur Garnisonkirche geführt?
Der erste Berührungspunkt war 1990. Ich war damals frisch gewählter Stadtverordneter und seit Dezember 1990 dann Kulturstadtrat. Gleich nach dem politischen Neubeginn haben wir in der Stadtverordnetenversammlung den Grundsatzbeschluss zur Wiederannäherung an das historische Stadtbild gefällt. Dazu gehörte, dass die Fläche, auf der der Turm und die Mauern des Kirchenschiffs der Garnisonkirche vor der Sprengung 1968 standen, nicht anderweitig bebaut werden soll – Grundlage für den heutigen Wiederaufbau.
Wie fühlt sich das jetzt an, nach so langer Zeit im Dienste eines kirchlichen und zugleich politischen Bauprojekts – versöhnt?
Ich musste mich ja nicht versöhnen. Die Stiftungsarbeit ist immer dem Dreiklang „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“ gefolgt. Es gab und gibt tatsächlich einige kritische Begleiter, die nicht zuhören wollen, die, die Realität ausblendend, an ihren Vorurteilen festhalten. Ich muss dabei an ein Kind im Karussell denken, das in jeder Runde einmal vorbeikommt und dasselbe quengelt. Natürlich haben die Auseinandersetzungen mit den Anfeindungen in Dauerschleife viel Zeit und Kraft gekostet, aber wenn man empfindet, dass das, was man tut, richtig ist, kann man das gut aushalten.
Gab es nicht auch berechtigte Kritik? Etwa daran, dass der Turm genauso wieder aufgebaut wird, wie er von Philipp Gerlach 1730–1735 entworfen worden war? Dass preußische Pfarrer darin Kriegspredigten hielten? Oder dass Hitler durch den berüchtigten Handschlag mit Hindenburg 1933 hoffähig wurde? Manche sprechen von „Siegerarchitektur“ und finden, dass zwei Weltkriege nicht spurlos an einem solchen Ort vorbeigehen sollten.
Diese Leute sollten mit uns ins Gespräch kommen. Kommt her und guckt euch um! Schaut euch den Sockel des Turms an. Dort ist der Bibelvers aus dem Lukasevangelium „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ in fünf Sprachen im wahrsten Sinne des Wortes „in Stein gemeißelt“. Das findet man an keinem anderen barocken Bauwerk. Der Turm ist außen nahezu in der originalen Gestalt wiedererstanden, im Inneren beherbergt er räumliche Möglichkeiten, die es dort noch nie gegeben hat.
… für insgesamt über 40 Millionen Euro, fast die Hälfte davon aus Steuermitteln …
…und fünf Millionen Kirchendarlehen, ansonsten aber aus privaten Spenden. Uns fehlen darüber hinaus noch fünf Millionen Euro für die Fertigstellung der äußeren Schönheit des Turms, für Glockenspiel, baulichen Schmuck und Läuteglocken. Aber der jetzt schon bestehende Baukörper, der wie einst im historischen Stadtbild in die Breite Straße hineinragt und die lange Straßenflucht wohltuend unterbricht, ist ein voll funktionsfähiges Versöhnungs- und Bildungszentrum.
Sie meinen, die notwendige Klarheit des Projektes ist eher im Inneren zu finden, bei der Friedensarbeit?
Die Sockelinschrift beschreibt die Klarheit des Tuns im Turm, ist Basis für die kontinuierliche Bildungs- und Versöhnungsarbeit. Das heutige Innere hat mit dem historischen Turm nichts gemein. Wir sind ein Ort des Diskurses, ein Ort, an dem man gut ins Gespräch kommt und sich gegenseitig zuhört, wach und lebendig, da wächst eine starke Arbeit. Es gibt schon jetzt Workshops, vor allem für Schulklassen, auch in Kooperation mit anderen Bildungsträgern wie zum Beispiel dem Filmmuseum, dem Potsdam-Museum, dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), unterstützt von Landesministerien, von der Stiftung Aufarbeitung, der Landeszentrale für politische Bildung und vielen anderen. Das Potenzial des Ortes als Ort des Diskurses wird kennen- und schätzen gelernt. Der Turm der Garnisonkirche ist ein Lernort für die Demokratie, der sich zu etablieren beginnt.
Diese Arbeit findet zurzeit noch in der provisorischen Nagelkreuzkapelle statt – wann wird der Turm eröffnet?
Einen Termin werden wir erst nach der bauordnungsrechtlichen Abnahme festzurren und dann auch den Umzug aus der Nagelkreuzkapelle in den Turm durchführen können. Ich rechne mit der Indienstnahme spätestens im Frühsommer. Die Nagelkreuzkapelle werden wir noch bis in den Herbst 2025 nutzen können, danach entstehen dort Parkplätze für Menschen mit Behinderung für das neue Kreativquartier KQ. Das KQ wird als Ersatz für das Rechenzentrum gebaut, das zu einem Teil auf dem Grundstück des Kirchenschiffs steht. Die letztmalig verlängerte Nutzungsduldung für das Rechenzentrum läuft Ende 2025 aus.
Und wie geht es bei Ihnen jetzt weiter? Nehmen Sie ein neues Projekt in Angriff?
Ich gehe in ganz großer Dankbarkeit in meinen neuen Lebensabschnitt, weiß das Projekt in besten Händen im Team der Stiftungsmannschaft und durch das Kuratorium richtig gut „aufs Gleis gesetzt“. Ich werde natürlich immer wieder nach Potsdam kommen, um mich am Turm der Garnisonkirche, am Belvedere auf dem Pfingstberg und überhaupt an der schönen Stadt zu erfreuen. Ich habe mich lange und intensiv um Vieles gekümmert, hatte gesundheitliche Tiefschläge, jetzt ist das Private dran. Meine Frau und ich haben sieben Enkel, die mit Oma Elke und Opa Willy viel unternehmen wollen. Der Schuppen ist voller Holz von Spaziergängen und Wanderungen, daraus will ich – aus meiner Sicht – Kunst machen. Und wenn die Gesundheit es erlaubt, wollen wir mit unserem Wohnmobil Reisen unternehmen.