Siedenbollentin. Ja, es gab eine Andacht in Siedenbollentin – eine Andacht, „in der wir all derer gedenken konnten, die damit zu tun haben“, sagt Gemeindepastor Christoph Zellmer aus Siedenbollentin. Aber mehr wolle er dazu nicht sagen, mehr wäre nicht gut. Denn die Situation sei ohnehin schlimm, Berichte in Boulevard-Zeitungen hätten sie noch schlimmer gemacht.
Am 7. Mai war eine 29-jährige Frau aus Siedenbollentin tot aufgefunden worden – ermordet und zurückgelassen in einem sumpfigen Gebiet. Medienberichten zufolge hat ein 48-jähriger Familienvater aus dem gleichen Dorf die Tat am Tag danach gestanden. Er soll die Frau sexuell genötig und dann erwürgt haben. Die Ermittlungen laufen noch.
Viele Fragen – keine Antworten
„In den Medien wird der Fall bald wieder vergessen sein, dann erinnert sich kein Mensch mehr daran, wo Siedenbollentin überhaupt liegt“, sagt Pastor Hanns-Peter Neumann, Unfall- und Notfallseelsorger der Nordkirche. „Aber den Leuten selbst wird das noch lange zu schaffen machen. Das ist schon brutal.“
Polizisten aus dem Ort hatten Neumann dazugerufen. Zwei mal ist der Notfallseelsorger seitdem nach Siedenbollentin gefahren, um mit den Beamten zu sprechen und den Fußballverein zu besuchen, in dem der mutmaßliche Täter mitspielte. „Alle sind entsetzt und fassungslos und haben viele Fragen“, sagt Neumann. Auf viele ihrer Fragen gebe es zwar noch keine Antworten. „Aber wichtig ist, dass sie ausgesprochen werden und der Einzelne merkt: Ich bin nicht allein, den anderen geht es genauso.“ Ein erstes Stück Sicherheit und Stabilität lasse sich damit zurückgewinnen. Auch der Ehefrau und den beiden Kindern des mutmaßlichen Täters hat Hanns-Peter Neumann seelsorgerliche Begleitung angeboten, „denn die sind ja auch und besonders Opfer der Entwicklungen.“
Für den ganzen Ort sei die Situation wie ein Erdbeben, sagt Hanns-Peter Neumann. Eine plötzliche Erschütterung, die die scheinbare Sicherheit des Alltags erzittern lässt, den festen Boden unter den Füßen wegzieht. „Und es werden Nachbeben folgen, weil ja immer wieder Dinge kommen, die damit zu tun haben“: Das Opfer werde beigesetzt. Erste Ermittlungsergebnisse würden bald bekannt gegeben, „die sich dann im ganzen Dorf herumsprechen werden.“ Und schätzungsweise in einem halben bis Dreivierteljahr werde der mutmaßliche Täter vor Gericht stehen. „Das Dorf wird lange nicht fertig sein damit.“