Lübeck. Maria und Joseph machen sich auf den Weg. In einem alten, dunkelgrünen Reisekoffer mit der Aufschrift „Maria & Joseph on Tour – Auf dem Weg nach Bethlehem“ sind beide im Dezember auf einer Reise durch den Lübecker Stadtteil Buntekuh, eventuell auch noch weiter. Losgeschickt hat Pastorin Anne Mareike Müller die beiden Krippenfiguren: „Ich suche mir einfach ein Ehepaar, eine Familie oder ein einzelnes Gemeindemitglied aus, wo ich denke, das sind Menschen, die gern Fremde zu Besuch haben“, sagt Müller. 2017 hat die Theologin das Paar schon einmal auf die Reise geschickt.
Unangemeldet stand die Pastorin damals vor einer Tür, klingelte und bat um Herberge für Maria und Joseph. Bei einem Tee, Kaffee und Keksen erklärte sie den überraschten Herbergsgebern dann, worum es ihr bei dem Projekt geht: „Die Menschen sollen mit den Figuren ins Gespräch kommen, ein bisschen darüber nachdenken, welchen Weg sie machen und was wäre, wenn sie heute wirklich bei ihnen klingeln würden.“
Gastgeber tragen sich in Buch ein
So soll es auch 2018 beginnen. Nach der Übergabe ist das Schicksal der beiden dann den Herbergsgebern überlassen – diese suchen aus, beim wem Jesu Eltern als nächstes um Einlass bitten. Im besten Fall, so hofft die Pastorin, geht es dann jeden Tag in ein neues Haus oder eine neue Wohnung, um etwas anderes zu erleben.
Was den Krippenfiguren in den Herbergen widerfährt, erfährt Anne Mareike Müller erst an Heiligabend. An diesem Tag sollen Maria und Joseph nämlich zurück ins Pastorat gebracht werden. Die Pastorin wird dann im Herbergsbuch blättern, in das die Menschen zumindest ihren Namen und das Datum eintragen. Im Vorjahr hatten sich viele mehr Mühe gemacht: „Manche haben einen Stern gebastelt und ihn eingeklebt, einen Engel gemalt oder ein Zitat aus der Bibel reingeschrieben“, so die Pastorin.
Ein Herbergsvater habe sogar mit den beiden gestritten, berichtet Müller. Er habe es als unfair empfunden, dass die beiden nun so ein heiliges Kind auf die Welt bringen sollen und diesen hohen Druck ertragen müssten. Mit dieser großen Berufung hätten sie als Menschen einfach klarkommen müssen; Gott habe sie gar nicht danach gefragt, ob sie es denn auch wollen. „Das war ein fiktives Gespräch zwischen dem Herbergsvater und Joseph“, so Müller. Der Tagebucheintrag wirke so, als habe ihn Maria in das Herbergsbuch geschrieben.