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Wie man der Wüste wehrt

Bauern im Sahel hielten Yacouba Sawadogo und Tony Rinaudo lange Zeit für verrückt, weil sie im Kampf gegen die Ausbreitung von Wüsten neue Wege gingen. Inzwischen werden sie als Vorbild gefeiert und erhalten dieses Jahr den Alternativen Nobelpreis

Silas Koch

Auf den ersten Blick haben die beiden wenig gemeinsam: Der eine, Yacouba Sawadogo, ist Kleinbauer im staubigen Norden von Burkina Faso. Der andere, Tony Rinaudo, ist Entwicklungshelfer, aufgewachsen im Hinterland von Melbourne, Australien. Doch sie eint vieles: Beide haben den Kampf gegen die Verwüstung Afrikas zu ihrer Lebensaufgabe gemacht, brachen dafür mit gängigen Rezepten und wurden deshalb lange als verrückt beschimpft. Doch die beiden tief gläubigen Männer ließen sich nicht beirren und gelten heute als „Waldmacher“ (Rinaudo) oder „Mann, der die Wüste aufhielt“ (Sawadogo). In diesem Jahr erhalten beide den Alternativen Nobelpreis.

Beide Männer wurden als verrückt beschimpft

Der inzwischen ergraute Sawadogo musste als Kind oft hungern: In der Koranschule war Essen knapp, und als der Kleinste und Schwächste musste er häufig zurückstecken, wie er einmal erzählte. Vielleicht auch deshalb versuchte sich Sawadogo auf dem Acker immer und immer wieder an einer nahezu hoffnungslosen Aufgabe: Die immer staubigeren Böden für die Landwirtschaft zu erhalten. Neue Methoden, die Entwicklungshelfer in die Region brachten, scheiterten. So besann sich Sawadogo auf eine traditionelle Anbauweise, die Zaï genannt und fast vergessen worden war – und entwickelte sie weiter.
Sawadogos Felder sehen aus wie ein überdimensioniertes Bao-Feld, das Spiel, bei dem Kinder kleine sichelförmige Gruben in den Boden drücken, die nach und nach mit Steinen gefüllt werden. Seine 30 bis 50 cm großen Gruben füllte Sawadogo mit Hirsekörnern, Dung, Kompost und etwas Erde – die Mischung war neu, die Gruben größer als bisher. Der Kompost zog Termiten an, die den Boden auflockerten, so dass der mehr Wasser speichern konnte. Mit den Kuhfladen kamen außerdem Baumsamen auf die Felder, die Sawadogo wachsen ließ. Und je höher sie wuchsen, desto besser geriet die Ernte, Schatten und Wasserspeicherung sei Dank.
Der Australier Tony Rinaudo lernte in seiner Kindheit eine ganz andere Art von Landwirtschaft kennen. Im Alter von acht Jahren, so berichtete er, habe er erlebt, wie Wälder für riesige Tabak-Monokulturen gerodet wurden. Kängurus flohen, und die Fische im nahen Fluss trieben bald tot an der Oberfläche, vergiftet von Pestiziden. Dass Erwachsene die Erde derart zerstörten, während Kinder in Afrika und Indien hungerten, rüttelte den Jungen früh auf. Damals habe er Gott gebeten, ihn zu seinem Werkzeug für eine bessere Welt zu machen, sagt Rinaudo heute.
Doch daraus wurde erst mal nichts. Als frischgebackener Landwirt zog Rinaudo mit Frau und Säugling nach Niger und pflanzte dort Tausende Bäume, die alle wieder eingingen. Rein zufällig, als er mit seinem Pick-up in der Wüste stoppte, stieß Rinaudo auf Baumtriebe, die sich sehr wohl gegen Sand und Trockenheit behaupten konnten – als Teil eines Wurzelwerks unter dem Boden. Rinaudo überredete befreundete Bauern, solche Triebe auf ihren Feldern zu pflegen und so zu beschneiden, dass sie besser wuchsen. Als deren Felder als Einzige eine schwere Dürre überstanden, setzte die Idee sich durch.

Bauern in vielen Ländern kopieren die Methode

200 Millionen Bäume sind dank Rinaudos Methode inzwischen alleine in Niger gepflanzt worden. Bauern in vielen anderen afrikanischen Ländern haben die Methode kopiert, für die sie nur ein Messer und Geduld brauchen. Auch für Sawadogos weiterentwickelte Zaï-Technik braucht es weder Geld noch teure Technik. Widerstand hat Sawadogo dennoch reichlich erlebt, etwa, als ein Investor die Hälfte des von ihm gezogenen Walds abholzen wollte. Ein Onkel hatte das Land ohne Sawadogos Wissen mit Gewinn verkauft, jetzt sollten Häuser gebaut werden. Das ganze Dorf kämpfte damals auf Sawadogos Seite.
Die Vereinten Nationen empfehlen Swadogos Methode inzwischen Kleinbauern auf der ganzen Welt zur Nachahmung. Zwar kann der Burkinabe bis heute weder lesen noch schreiben, doch er ist schon bis nach Korea gereist, um dort seine Ideen zu verbreiten. Dabei ist er eigentlich schüchtern, genauso wie Tony Rinaudo. Viele Bauern in Niger haben ihn mit der vielleicht höchsten Auszeichnung geehrt, derer sie mächtig sind: Sie haben ihre Kinder Tony getauft. Der Alternative Nobelpreis ist im Vergleich dazu nur eine weitere Ehrung, die den Farmern in Afrika zugute kommen soll.