BERLIN – Die Krankenhäuser als seelenloser Reparaturbetrieb. Ärzte, die aus finanziellen Interessen zu viel operieren. Und Patienten, die wegen der Krankenhausbilanzen mehrfach untersucht oder zu früh entlassen werden. Das Krankenhaus als krankes Haus?
Die derzeit rund 2000 deutschen Kliniken stehen unter Beobachtung: Spätestens seit den 80er Jahren war Kostendämpfungspolitik angesagt. Und spätestens mit der Einführung des Fallpauschalensystems 2004 – seitdem werden die Kliniken nicht mehr nach der Aufenthaltsdauer des Kranken, sondern nach einer einheitlichen Fallpauschale je nach Krankheit bezahlt – stand die Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt der Debatten.
Mittlerweile dreht sich der Wind. Im Krankenhausstrukturgesetz von 2015 dringt der Gesetzgeber auf mehr Behandlungsqualität. Anfang April forderte auch der Deutsche Ethikrat in einem Gutachten, das Patientenwohl in den Mittelpunkt des Krankenhaussystems zu stellen.
Viele Krankenhäuser stehen unter Druck
Die Diagnose ist klar: Der Krankenhaussektor stellt mit rund 68 Milliarden Euro den größten Ausgabenblock der gesetzlichen Krankenversicherungen dar. Dabei stehen die Krankenhäuser wirtschaftlich unter Druck. 2013 befanden sich 16 Prozent im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 30 Prozent verzeichneten einen Jahresverlust. Viele Häuser haben ihren Personalstand heruntergefahren. Andere haben die Zahl der Operationen deutlich gesteigert. Ob zum Nutzen der Patienten, ist fraglich.
Auch der Ethikrat sieht Probleme im Spannungsfeld zwischen ethischen Ansprüchen und Kostendruck: „Versteht man das Patientenwohl als ethisches Leitprinzip, deuten zahlreiche Entwicklungen darauf hin, dass das stationäre Versorgungssystem zunehmend hinter diesem Anspruch zurückbleibt“, heißt es etwas verquast in der Studie. Zu stark werde auf Effektivität und Effizienz geachtet.
„Zulasten einer empathischen Arzt-Patienten-Beziehung droht der Patient zum Werkstück in einem industriellen Prozess zu werden“, hatte schon der Leipziger Chirurg Arved Weimann bei einer Tagung des Ethikrats im Vorfeld kritisiert. Auch der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio beobachtet eine Ökonomisierung: „Die Patienten werden nicht mehr als leidende Menschen wahrgenommen, sondern zu Konsumenten umdefiniert, die dazu da sind, dass man sich ihre Krankheit zunutze macht, um gute Zahlen zu generieren.“
Die Krankenhäuser haben zwar ein hohes Versorgungsniveau, dennoch besteht „erheblicher Reformbedarf“, so die Ethikratsvorsitzende Christiane Woopen bei der Vorstellung der Studie. Hierzu legt das Gremium nun einen Katalog von 29 Empfehlungen vor: Dazu gehören etwa bundesweit einheitliche Standards bei der Krankenhausplanung, bei der die Interessen der Patienten berücksichtigt werden müssten. Auch eine Verringerung der Zahl der Krankenhäuser wird dabei nicht ausgeschlossen.