Seit Tagen kommt es auch in New York zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Wie haben Sie die vergangenen Tage und Nächte erlebt?
Miriam Groß: Ich habe sehr unruhige Tage und Nächte erlebt. Die Tage sind etwas ruhiger und friedvoller, die Nächte sind natürlich auch mit Angst besetzt. Die nächtliche Ausgangssperre in New York wurde verschärft von 20 Uhr bis 5 Uhr früh. Die Situation ist für die Menschen hier schon sehr belastend.
Wer geht in New York auf die Straße?
In New York gehen alle Schichten auf die Straße. Die Wut und Aufregung geht durch alle Schichten und durch alle Couleur. Das sind nicht nur Afroamerikaner, Latinos und Asiaten. Das sind auch Weiße, die sich solidarisieren und ein Zeichen setzen wollen. Selbst der New Yorker Polizeichef Terence Monahan hat sich mit den Demonstranten solidarisiert, indem er sich in aller Öffentlichkeit symbolisch niederkniete.

Was bekommen Sie von den Plünderungen mit?
Solche Plünderungen gibt es selbst an der 5th Avenue. Zudem haben Großmärkte wie Target ihre Geschäfte geschlossen. Ich möchte diese Gewalt nicht rechtfertigen, aber diese Plünderungen sind auch ein Ausdruck der Verzweiflung. Brutalität ist von keiner Seite zu rechtfertigen, und Plünderungen sind eine Straftat, ohne Wenn und Aber. Aber man kann diesen Ausbruch durchaus auch psychologisch erklären.
Wie beurteilen Sie die Rolle von US-Präsident Trump in dieser Situation, etwa seinen jüngsten Auftritt vor einer Kirche in Washington mit einer Bibel in der Hand?
Ich empfand diese Zeichenhandlung als zutiefst verstörend. Wir als Kirche müssen die Welt daran erinnern, dass wir eine von Gott geliebte und versöhnte Welt sind. Was Trump getan hat, war kein versöhnendes Handeln.