Lübeck. Die Johann-Hinrich-Wichern-Kirche im Lübecker Stadtteil Moisling war eben gebaut, da entstand die „Wichern-Runde“. Damals benötigte eine Familie Hilfe, die Gemeindeschwester sprach den Pastor an. Daraus entwickelte sich die Idee, mehrere Personen an einen Tisch zu holen, der Grundstein für neue Kontakte. Die Familie bekam schnell die nowendige Unterstützung. Das ist 50 Jahre her – und das Prinzip des gelebten Netzwerks funktioniert bis heute.
Aus der „Wichern-Runde“ ist das „Sozialmeeting“ geworden. Alle vier Wochen kommen Vertreter der Kirchengemeinde, Kitas, Schulen, Straßensozialarbeit, Seniorenberatung, des Jugendamtes, der Polizei, des Sozialkaufhauses und viele mehr zusammen. Sie blicken zurück und legen Probleme offen auf den Tisch. Die Treffen finden immer an anderen Orten statt. Mal lädt das Seniorenhaus Hinrichs ein, mal besucht das „Sozialmeeting“ eine der sieben Kindertagesstätten des Stadtteils. Diese Art des informellen Austausches und der „kurzen Wege“ kommt allen Beteiligten zugute.
Eine Kirche, die nicht nur predigt
Wer das erste Mal dabei ist, stellt sich als Vertreter seiner Institution vor. Beate Hafemann beispielsweise ist seit einigen Monaten Quartiersmanagerin im Stadtteil Moisling. Sie ist neu in Lübeck und froh um diese Runde. Themen, die im Büro des Projekts Soziale Stadt auflaufen, können hier schnell durch Fachleute eingeordnet werden. Davon profitiert auch das neue städtebauliche Fördermodell der „Sozialen Stadt“.
Vernetzt sein und füreinander da sein, das praktizieren die Mitglieder des Netzwerkes auf professionellem Niveau. Sie sind hauptamtlich tätig und nutzen das Forum auch, um sich gegenseitig fortzubilden. Themen wie Demenz oder Sucht betreffen viele Menschen und damit auch die Begleiter in unterschiedlichen Institutionen. „Es geht hier immer um die Sache“, sagt Pastor Christian Gauer. „Wir als Kirche predigen nicht nur, wir versuchen Themen auch umzusetzen. Und das geht nur gemeinsam mit den Partnern vor Ort.“
Einander zu kennen macht Bürokratie oft überflüssig. „Die Wege sind kurz. Ich weiß, wen ich anrufen kann“, sagt Petra Nittscher vom Familienzentrum / Kita Brüder-Grimm-Ring. „Das ‚Sozialmeeting‘ ist ein ehrliches und mutiges Treffen. Deswegen komme ich zu möglichst allen Terminen“, sagt Gabriele Gruber von der katholischen Kindertagesstätte St. Franziskus.