Importschlager aus den USA, ohne Handelskrieg: Amerikanische Baumarten werden in Deutschland immer häufiger kultiviert. Experten sehen sie als Stabilitätsanker für den Wald. Doch es gibt auch warnende Stimmen.
Vogel, Insekt, Moos oder auch regionale Streuobstsorte – unter ihnen allen wird jährlich von Naturschützern ein Titel “des Jahres” vergeben. Die Auszeichnung ist umweltpolitisch motiviert: Oft sind die Preisträger in Notlagen, auf die durch den Titel aufmerksam gemacht werden soll.
Beim diesjährigen Baum des Jahres sieht das allerdings etwas anders aus. Mit der Roteiche wurde ein Gewächs ausgezeichnet, von dem sich Experten vor allem eine bessere forstwirtschaftliche Nutzung sowie eine klimaresistentere Entwicklung des deutschen Waldes versprechen. Das besonders bemerkenswerte daran: Die Roteiche – obwohl eben Eiche und damit eigentlich urdeutsches Kulturgut – ist hierzulande eigentlich gar nicht heimisch, sondern erst vor gut 300 Jahren aus Amerika eingewandert.
Migration ist also offenbar auch in der Botanik ein Thema. Tatsächlich ist die Roteiche nicht der einzige fremdländische Baum, der inzwischen zunehmend in deutschen Wäldern kultiviert wird. Noch häufiger findet sich die zu den Kieferngewächsen zugehörige Douglasie. Auch dieser immergrüne Nadelbaum kam aus Amerika nach Europa; erst 1831 erreichte das erste Douglasiengewächs Deutschland.
Die ausländischen Bäume haben sich inzwischen gut in den Wald integriert. Douglasien machen laut der jüngsten Bundeswaldinventur 2022 aktuell 2,4 Prozent der Waldbäume aus, mit einem deutlichen Zuwachs in den vergangenen zehn Jahren. Roteichen liegen bei unter einem Prozent. Generell kommen alle eingeführten Baumarten dem Bericht zufolge bislang auf einen gemeinsamen Flächenanteil von knapp fünf Prozent des Waldes.
Dennoch raten gerade Experten dazu, diese stärker zu kultivieren. Es gehe darum, die Wälder zukunftsfähig zu machen, erklärt die Forstwissenschaftlerin Katharina Liepe vom Braunschweiger Thünen-Institut. “Dazu müssen wir auch Baumarten in den Blick nehmen, die besser mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen.” Auf Douglasie und Roteiche, die in Nordamerika beheimatet sind, trifft das zu.
Wie wichtig das für den Wald ist, zeigt auch die am Mittwoch veröffentlichte jährliche Waldzustandserhebung, die das Thünen-Institut verantwortet. Demnach sind nach wie vor nur rund ein Fünftel der Waldbäume in Deutschland wirklich gesund. Die Zahl der geschädigten Bäume, die bereits eine hohe Kronenverlichtung aufwiesen, liegt mit 36 Prozent hingegen deutlich höher.
Doch nicht nur aus umweltpolitischer Sicht erscheint der Baumimport sinnvoll. Einige der Ausländer wachsen auch deutlich schneller. So erreicht die Douglasie schon nach 60 bis 80 Jahren ihren für die Holzwirtschaft relevanten Zieldurchmesser von 50 Zentimetern – wofür die heimische Kiefer 100 bis 130 Jahre benötigt. “Damit schafft sie insbesondere in strukturschwachen Kiefernregionen Einkommen im ländlichen Raum”, erklärt Liepe.
Die Forstwirtschaft verspricht sich von den Importen also einen doppelten Nutzen. Umweltschützer sehen das allerdings anders. Der Nabu warnt etwa davor, Roteiche und Douglasie als “Wunderbäume” gegen die Folgen des Klimawandels im Wald zu präsentieren. Sie seien oft nur unzureichend in das heimische Ökosystem eingebunden, sagt der Nabu-Waldexperte Sven Selbert. “Sie drohen die Entwicklung des Waldes in eine Sackgasse zu führen – mit erheblichen ökologischen wie wirtschaftlichen Risiken.” Durch die gezielte Aufforstung mit diesen Arten drohten eine “ökologische Verarmung” sowie mehr Verwundbarkeit des Systems durch eingeschleppte Schädlinge.
Die Naturschützer plädieren für eine Begrenzung des Anteils nicht-heimischer Baumarten auf 20 oder maximal 30 Prozent. In besonders geschützten Wäldern solle ganz darauf verzichtet werden, sie anzupflanzen.
Die Forstgenetikerin Liepe teilt diese Bedenken nicht – und wirbt stattdessen für Vielfalt im Wald. Dazu sei es notwendig, das Artenspektrum verantwortungsvoll zu erweitern. “Deshalb gilt es, Douglasie und Roteiche ihren ökologischen Ansprüchen entsprechend – und die kennen wir – standortgerecht einzubringen”, betont die Wissenschaftlerin.