Leipzig und Frankfurt sind die deutschen Buchmetropolen. Wer die Nase vorn hatte, hing von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Das zeigt die Geschichte des Börsenvereins, der 200. Geburtstag feiert.
Er ist das Sprachrohr der deutschen Buchbranche. Und die älteste dauerhaft bestehende Branchenorganisation in Deutschland. Vor 200 Jahren, am 30. April 1825, gründeten 101 Buchhändler und Verleger in Leipzig den Börsenverein der Deutschen Buchhändler.
Der breiten Öffentlichkeit ist der inzwischen umbenannte Börsenverein des Deutschen Buchhandels vor allem für sein kulturelles Engagement ein Begriff: als Veranstalter der Frankfurter Buchmesse und ideeller Träger der Leipziger Buchmesse. Gemeinsam mit der Stiftung Lesen und anderen Akteuren engagiert sich der Verein für die Leseförderung. Zudem setzt er sich für verfolgte Autoren ein und verleiht mehrere renommierte Auszeichnungen: den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, den Deutschen Fotobuchpreis, den Deutschen Buchpreis und den Deutschen Sachbuchpreis.
Zugleich hat der Verein eine große wirtschaftliche und politische Bedeutung für die mitunter krisengeplagte und durch Marktkonzentration geprägte Branche: Er tritt für die Interessen der Verlage, Sortimentsbuchhändler und des Buchhandels ein – bei Themen wie dem Urheberrecht, dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Bücher, der Buchpreisbindung oder der Mittelstandsförderung.
Ende 2024 waren im Börsenverein 3.806 Unternehmen Mitglied, 128 weniger als im Vorjahr. Als Grund nennt der Verband wirtschaftliche Belastungen und einen gestiegenen Kostendruck. Die Geschäftsaufgabe bleibt der häufigste Austrittsgrund, darüber hinaus wurden 21 Insolvenzen verzeichnet, so viele wie zuletzt 2012. Susanne Krittian-Danzer, Leiterin des Mitgliederservice des Börsenvereins, erläuterte dazu: “Ein schwächelndes Konsumklima und der unvermindert hohe Kostendruck machen gerade kleinen und unabhängigen Unternehmen zu schaffen.”
Rein wirtschaftliche Gründe waren es auch, die 1825 zur Gründung des Vereins in Leipzig führten. Zweimal im Jahr reisten die auswärtigen Buchhändler und Verleger zur Buchmesse in die Buchhandelsmetropole. Eine der vorrangigen Aufgaben des jungen Börsenvereins war die Organisation des Abrechnungsgeschäftes, das wegen der verschiedenen, damals auf dem Gebiet Deutschlands gültigen Währungen reichlich kompliziert war. Deshalb legte der Nürnberger Kunst- und Buchhändler Friedrich Campe (1777 bis 1846) gemeinsam mit seinen auswärtigen Kollegen eine Börsen-Ordnung vor, die zukünftig die Handelsgeschäfte bestimmen sollte.
Ein weiteres wichtiges Thema war der im zersplitterten Deutschland schwer durchzusetzende Schutz der Autoren und Verleger vor illegalen Nachdrucken. In den folgenden Jahrzehnten setzte sich der Börsenverein auch gegen Zensur, “unsittliche” Literatur und Schleuderpreise ein. 1888 führte er den festen Ladenpreis ein.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs sorgte der Verein zusammen mit dem Roten Kreuz für Lesestoff für die Soldaten. Bis März 1917 wurden insgesamt zehn Millionen Bücher verschickt, davon 2,2 Millionen an die Lazarette, 4,4 Millionen an die Front, der Rest an Kriegsgefangene und die Marine.
Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 schalteten die neuen Machthaber den Börsenverein gleich, beließen ihm aber die wirtschaftlichen Zuständigkeiten. “Aus Opportunismus hat sich der Börsenverein den Machthabern untergeordnet”, erklärte Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, im Mai 2023 im Interview der “Jüdischen Allgemeinen”. Der Verband habe sich ab 1933 aktiv an der Unterdrückung kritischer Stimmen beteiligt, indem er eine Liste mit Büchern veröffentlicht habe, die vom Buchhandel nicht mehr vertrieben werden sollten. Wissenschaftler arbeiten im Auftrag des Börsenvereins die Geschichte des Verbandes systematisch auf, so der Hauptgeschäftsführer. Zwischen 2015 und 2023 seien fünf Teilbände der “Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhunderts” im Verlag De Gruyter erschienen.