Bad Schwartau. „Wenn ich klingele und die Tür aufgeht, stehen da zwei Menschen. Der Rosige ist der Demente, der mit den Augenringen der pflegende Angehörige“, sagt Jochen Gust, Demenzbeauftragter des Sankt Elisabeth Krankenhauses in Eutin. Seine Zuhörer – allesamt Männer in der zweiten Lebenshälfte – nicken zustimmend.
Gust war als Referent beim Kurs „Männer pflegen“ in Bad Schwartau zu Gast, der vom Männerforum der Nordkirche gemeinsam mit dem Pflegestützpunkt Ostholstein angeboten wird. Seit einem Jahr bietet der Seelsorger Männern, die Eltern, Frauen oder Kinder mit Erkrankungen pflegen, in diesem Rahmen eine Möglichkeit zu Austausch, Information und Miteinander.
„Männer holen sich selten Hilfe, das passt nicht zu ihrem Rollenbild“, erklärt Pastor Ernst. „Durch das Miteinander im Kurs bekommen sie Hinweise, wie sie mit ihrer Situation besser umgehen können.“ Denn diese trifft die meisten unvorbereitet.
Eigentlich wollten sie reisen
„Unsere Lebensplanung war eine andere“, erzählt ein Teilnehmer, dessen Frau vor vier Jahren an Alzheimer erkrankt ist. „Wir haben ein Wohnmobil gekauft, um zu reisen, dann wurde meine Frau krank.“ Nach 25 Jahren Ehe entschied sich der Ehemann dafür, seine Frau zu Hause zu pflegen, bis es nicht mehr allein ging. „Ein Pflegender muss sich selbst aufgeben“, diese Erfahrung hat er gemacht. Er setzt hinzu: „Kümmern wird zum Lebensmittelpunkt. Aber die Intensität der Beziehung verlangt die Pflege. Die Liebe bleibt gleich.“ Die anderen stimmen dem Mann zu. „Man steht am Anfang vor dem Nichts“, beschreibt ein Mann die Situation. „Wer alleine pflegt, der vereinsamt, die Kontakte brechen ab.“
Hier sieht Ernst den Ansatz seiner Arbeit. „Pflegende Männer sind stärker betroffen als Frauen“, sagt er, „Frauen haben die besseren Netzwerke, Männer meistens nicht. Männer kommen in den Kurs, weil sie einsehen, dass das Miteinander hilfreich ist.“
Schwieriger Alltag
Ihr Alltag ist schwierig. „Ich bin morgens der Erste, der aufsteht, und der Letzte, der zu Bett geht“, beschreibt ein Mann seinen Tag. „Meine Frau leidet an Osteoporose und sitzt im Rollstuhl.“ Seit sechs Jahren pflegt er sie. Allein das Tragen des Rollstuhls sei eine körperliche Herausforderung. Der Vater einer behinderten Tochter erzählt von einer Frau mit Kleinkind im Haus. „Sie weiß, dass die Zeit des Kinderwagentragens bald vorbei ist, das Rollstuhltragen hört nicht auf.“
Betroffene lebten in zwei Welten, erläutert Jochen Gust – einmal in der privaten Pflegesituation und einmal in der öffentlichen Welt, an der sie nur noch eingeschränkt Teil haben könnten. Gerade da sei ein solcher Kurs wichtig. „Ich selber bin derjenige, der lernen muss“, nimmt ein Betroffener an diesem Tag als Erkenntnis mit. Gerade hat er erfahren, wie Demente ihre Bedürfnisse ausdrücken. „Wer anfängt zu schimpfen, möchte wahrgenommen werden“, hatte Gust bestimmte Verhaltensweisen übersetzt. „Jeder von uns will einmal am Tag der Wichtigste sein.“ Das bietet der Kurs den Männern, indem er sie in schwierigen Situationen nicht alleine lässt. „Männer denken oft, dass sie keine Hilfe brauchen“, sagt Henning Ernst, „aber jeder braucht Hilfe. Das Gefühl der Hilflosigkeit wird durch das Miteinander zu einer Stärkung.“
Männer pflegen anders
Pflegen Männer anders? „Ja“, erklärt ein Mann mit Überzeugung, „Männer sind nicht so ängstlich, Frauen sind eher Bedenkenträger. Als mein kranker Vater an die Orte wollte, die ihm wichtig sind, habe ich sie einfach alle mit ihm abgefahren.“ Körperliche Stärke sei ein Vorteil, ergänzt ein anderer, zur Pflege gehöre viel Heben und Festhalten. „Männer sehen ihre Situation praktischer und balancieren aus, was sie möchten und was der Pflegefall braucht“, hat ein Dritter erfahren. Einer fasst das Gefühl für alle zusammen: „Die Pflege ist Belastung und Berufung zugleich.“
Info
Der Kurs zum Thema „Männer pflegen“ umfasst insgesamt zehn Wochen, die Teilnehmer treffen sich einmal in der Woche. Neben Gesprächen gibt es Impulsreferate zu verschiedenen Themen. Die Teilnahme ist kostenlos. Nähere Informationen gibt es beim Pflegestützpunkt Ostholstein, Janusstraße 5, in Eutin unter
Telefon 04521 / 830 66 30 sowie unter www.pflegeberatung-oh.de.