Der Nahostkonflikt eskaliert immer weiter und erschwert humanitäre Hilfe. Der Deutschland-Chef einer wichtigen UN-Organisation fürchtet, dass sich das Fluchtszenario von 2015 wiederholen könnte.
Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) warnt angesichts der Eskalation in Nahost vor einer neuen Fluchtwelle nach Europa. Der WFP-Deutschland-Direktor Martin Frick erinnerte in einem Interview mit der Mediengruppe Bayern (Donnerstag) an die Erfahrung von 2015. Die damalige Fluchtbewegung sei auch dadurch ausgelöst worden, dass das Welternährungsprogramm die Menschen vor Ort nicht mehr habe versorgen können.
Die aktuelle Krise in Nahost sei “eine der schlimmsten, die wir je erlebt haben”, sagte Frick. Zugleich sei das WFP so unterfinanziert wie noch nie seit seiner Gründung vor mehr als 60 Jahren. “Unsere Mittel stagnieren auf dem Stand von 2019, während die Zahl der Bedürftigen explodiert ist – von ungefähr 135 Millionen auf über 300 Millionen weltweit.”
Im Libanon etwa seien zwar rechtzeitig an strategischen Orten Lebensmittel eingelagert worden. So könnten bereits 128.000 Menschen mit warmen Mahlzeiten unterstützt und Brot in Notunterkünfte gebracht werden. “Aber wenn der Oktober vorbei ist, brauchen wir zusätzliche Mittel von etwas über 100 Millionen Dollar bis zum Jahresende, um das aufrechterhalten zu können.”
Die Lage im Libanon sei schon vor der jüngsten Eskalation mit Israel nicht gut gewesen, erinnerte der deutsche WFP-Direktor. 1,5 Millionen der 6,8 Millionen Einwohner seien syrische Flüchtlinge. “Grundnahrungsmittel haben sich seit 2019 um 5.000 Prozent verteuert, einer von vier Libanesen hungert. Wenn wir da keine Stabilität reinbringen, dann kann durchaus eine neue Fluchtbewegung auch über die Grenzen von Libanon und Syrien hinaus entstehen.”
Als noch prekärer beschrieb Frick die Lage in Gaza. Dort seien mehr als zwei Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig. Knapp 500.000 drohten zu verhungern. Es kämen Menschen, die bis zu zehnmal vertrieben worden seien. Nur über zwei Grenzübergänge könne das WFP Hilfe in den Gazastreifen bringen. Aktuell gehe im Norden der Treibstoff zum Betrieb von Bäckereien aus. “Der reicht nur noch für eine Woche. Die Lage in der gesamten Region übersteigt auf Dauer unsere Möglichkeiten.”