Die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat seit der Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche im Januar 2024 weitere 27 Meldungen verzeichnet. Darauf hat die Leiterin der Fachstelle, Petra Knötzele, vor der in Frankfurt am Main tagenden Kirchensynode hingewiesen. Außerdem habe die Anerkennungskommission 26 Entscheidungen getroffen, sagte sie in ihrem Bericht zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Zwischen 2010 und Januar 2024 war die EKHN nach eigenen Angaben 87 Meldungen seit Kriegsende nachgegangen.
Die in der ForuM-Studie genannten speziellen evangelischen Gründe für sexualisierte Gewalt wie Harmoniesucht, das Ausgrenzen von Betroffenen sowie eine fehlende Sprachfähigkeit seien Themen von Veranstaltungen der Fachstelle. Ziel sei es, über die vielfachen Formen von Gewalt zu informieren, zu sensibilisieren sowie Diskussionsprozesse anzustoßen, sagte Knötzele. Es müsse deutlich werden, dass die Nulltoleranzstrategie der EKHN auf allen Ebenen gelebt und auch eingefordert werden könne.
Nicht jedes Verhalten, das anderen Leid zufügt, sie bedrängt oder diskriminiert, ist strafbar. Die Fachstelle will nach den Worten ihrer Leiterin deshalb auch für Alltagssexismus sensibilisieren. Gemeint seien damit diskriminierendes Verhalten und alltägliche Situationen wie doppelte Standards, sexuelle Darstellungen von Frauen oder queeren Menschen in den Medien oder diskriminierende Witze. „Wir brauchen mehr als Regeln“, sagte Knötzele, „wir brauchen einen Bewusstseinswandel, einen neuen Umgang mit Nähe und Verantwortung.“
Dass ihm nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie ein lauter Aufschrei der Menschen in seiner Kirche und eine starke Solidarisierung mit den Opfern gefehlt habe, machte Matthias Schwarz deutlich, Betroffenenvertreter in der Fachstelle sexualisierte Gewalt. Auch begegne ihm immer häufiger die Frage, wie sich jemand vor falschen Verdächtigungen schützen könne. Es grusele ihn, betonte Schwarz, wenn der Selbstschutz über den Schutz der Opfer gestellt werde.