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Was Stimme und Sprechweise über einen Menschen verraten

Die Stimme spricht Bände – oft lauter als Worte. Wer sie bewusst einsetzt, gewinnt an Ausstrahlung. Zwei Expertinnen erklären, was sich über Wirkung, Ausdruck und Training der Stimme zu wissen lohnt.

Ob kraftvoll oder sanft, dynamisch oder beruhigend – die menschliche Stimme ist weit mehr als nur ein Mittel zur Verständigung. Sie beeinflusst, wie jemand auf andere wirkt und verrät viel über die Persönlichkeit. 2025 steht im Zeichen dieses ältesten Instruments der Welt – es ist das “Jahr der Stimme”. Doch was genau sagt sie aus – und wie kann man sie bewusst einsetzen?

Die Stimme eines Menschen vermittelt weit mehr als nur Worte. Alter, Geschlecht, Herkunft – all das lässt sich häufig schon nach wenigen Sätzen heraushören. Auch Emotionen und das Selbstbewusstsein schwingen mit. Schon Kinder und auch einige Tiere erkennen, ob jemand wütend, gelassen oder voller Freude spricht.

Die Sprechwissenschaftlerin Marita Pabst-Weinschenk bringt es auf den Punkt: “Man muss die Stimme immer im Zusammenspiel mit dem Inhalt und dem gesamten Verhalten betrachten. Einzelne sprecherische Mittel wirken nie allein für sich, sondern immer im Kontext.”

Die Autorin, die in Düsseldorf an der Heinrich-Heine-Universität Sprecherziehung lehrt, nennt Beispiele: “Zu leises, aber auch überlautes Sprechen, undeutliche Artikulation, aber auch eine hyperkorrekte Aussprache, zu lange Sätze, also reihendes Sprechen mit zu wenig akustischen Punkten, aber auch Einsilbigkeit und nur Minimal-Antworten – all das wirkt nicht besonders selbstbewusst und sicher.” Selbstbewusste Menschen sprächen nicht “in stereotypen Mustern, sondern abwechslungsreich, immer passend zu den Inhalten, den Zuhörenden und der gesamten Situation”.

Sprechen ist also ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Stimme und Inhalt, Körpersprache und Situation. Wenn diese Komponenten nicht zusammenpassen, entsteht Irritation beim Gegenüber. “In Zweifelsfällen glauben wir der Art und Weise, wie gesprochen wird, mehr als den Worten”, sagt Pabst-Weinschenk. “Das hängt damit zusammen, dass Körper- und Sprechausdruck das ursprüngliche Ausdruckssystem des Menschen sind und wir bei Irritationen und Störungen auf das zurückgreifen, was wir zuerst gelernt haben.”

Während manche Menschen von Natur aus mit einer charismatischen Stimme gesegnet sind, lässt sich stimmliche Präsenz auch trainieren. Wichtig ist dabei Authentizität. Eine verstellte Stimme wird oft – wenn auch unbewusst – als unauthentisch wahrgenommen. Die Berliner Atem-, Sprech- und Stimmtherapeutin Sophia Katschinski schildert das in ihrem Buch “Entdecke deine Stimme” anschaulich: “Die nette Kassiererin im nahe gelegenen Supermarkt hat eigentlich eine sehr freundliche Art zu kommunizieren, aber ihre hohe, schrille Stimme führt dennoch zur sofortigen Ausschüttung von Stresshormonen in meinem System.”

Neben genetischen Voraussetzungen prägen vor allem Gewohnheiten sowie familiäre und kulturelle Ausdrucksformen die Stimme. Unter Stress – etwa bei Lampenfieber – rutscht sie oft in eine höhere Tonlage; das Sprechtempo steigt, die Atmung wird flacher. Statt mit dem Zwerchfell atmen Betroffene nur noch aus dem Brustkorb heraus – was sich auf die Stimmkraft auswirkt. Auch die Körperhaltung spielt eine zentrale Rolle: Wer entspannt und aufrecht steht, spricht meist klarer und freier als jemand, der verkrampft oder eingesunken ist.

Die Stimme ist also Ausdruck der gesamten körperlichen und seelischen Verfassung – ein vielschichtiges Ausdrucksmittel, das einen Menschen durch das ganze Leben begleitet. Doch ohne Übung geht es nicht, will man das stimmliche und sprecherische Repertoire wirklich nutzen. “Die Stimme ist wie ein Instrument. Man sollte lernen, es richtig einzusetzen”, erklärt Pabst-Weinschenk.

Je differenzierter jemand Stimme und Sprechweise zum Klingen bringen könne, umso mehr Facetten der Persönlichkeit ließen sich ausdrücken – und desto präziser werde die Verständigung mit anderen Menschen. “Das Ganze ist ein lebenslanger Lernprozess”, so die Expertin. “Gerade für Kinder und Heranwachsende ist es wichtig, dass sie möglichst viele unterschiedliche Stimm- und Sprecherfahrungen in ihrer Kommunikationsbiografie sammeln, um in den verschiedensten Situationen angemessen handeln zu können.”