Asylbewerberinnen und Asylbewerber in der Stadt Potsdam bekommen ihre Sozialleistungen weiterhin in bar ausgezahlt. Etwa 3.000 Menschen sind davon betroffen. Die Stadt wird keine Bezahlkarte einführen. Und das als einzige Kommune in Brandenburg und eine von ganz wenigen Kommunen bundesweit neben beispielsweise Aachen.
Der Bundesrat hatte im Sommer die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete beschlossen. Damit kann in vielen Geschäften bezahlt werden. Barabhebungen sind jedoch nur in Höhe von bis zu 50 Euro pro Monat möglich, für Kinder in den meisten Bundesländern noch weniger. Überweisungen funktionieren nur, wenn das Sozialamt diese in jedem Einzelfall genehmigt.
Bezahlkarte: Nutzen nicht belegt
Das erschwert es Flüchtlingen, ihr Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, die Kitagebühren, das Abo fürs Fitnessstudio oder Anwaltsgebühren zu zahlen, wie Erfahrungen aus Sachsen zeigen. Mit der Bezahlkarte wollten die Ministerpräsidenten der Länder verhindern, dass Flüchtlinge von den ohnehin sehr geringen Sozialleistungen Geld in ihre Herkunftsländer transferieren oder Schlepper bezahlen. Das soll den Anreiz verringern, nach Deutschland zu kommen. So eine Wirkung ist allerdings nicht belegt. SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke und mehrere Kleinparteien im Potsdamer Stadtparlament, die dort gemeinsam eine Mehrheit haben, argumentierten, die Karte erschwere die Integration.
Potsdam kann diesen Sonderweg gehen, weil es, anders als in den meisten Bundesländern, in Brandenburg keine eindeutige Weisung der Landesregierung zum Umgang mit der Bezahlkarte gibt. Das liegt an unterschiedlichen Positionen in der bisherigen Landesregierung: Während der SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke für die Einführung der Bezahlkarte war, sprach sich die ehemalige bündnisgrüne Sozialministerin Ursula Nonnemacher dagegen aus.
Kreissynode Potsdam gegen Bezahlkarte für Flüchtlinge
In der neuen Landesregierung von SPD und BSW gibt es eher einheitliche Positionen für die Bezahlkarte. Ob es da noch eine Weisung der Landesregierung geben wird, ist offen. Äußerungen von Ministeriumssprechern gegenüber dem rbb lassen darauf schließen, dass man den Kommunen aber einen Ermessensspielraum einräumen will.
Die Kreissynode Potsdam hatte nach ihrer Tagung im Herbst die Stadt Potsdam im November aufgefordert, auf die Bezahlkarte zu verzichten. Der Redaktion „die Kirche“ liegt die ausführliche Begründung vor. Dort steht, die Bezahlkarte sei „ein weiteres Instrument der vorherrschenden Symbolpolitik, die sich gegen Geflüchtete als scheinbare Ursache aller Probleme in Deutschland richtet“.
Bezahlkarte für Geflüchtete: Mehr Aufwand, weniger Selbstbestimmung
Zu glauben, dass sich Menschen von Flucht vor Not, Krieg und Folter abhalten lassen, weil es eine Bezahlkarte statt Geld gibt, sei „völlig realitätsfremd“. Die Bezahlkarte bringe einen höheren Verwaltungsaufwand und damit mehr Kosten für die Stadt und verhindere eine sparsame und selbstbestimmte Lebensgestaltung für Geflüchtete, heißt es in dem Beschluss der Synode zur Begründung ihrer Ablehnung. Angelika Zädow, Superintendentin des Kirchenkreises Potsdam, freute sich demzufolge, dass die Stadtverordneten mehrheitlich die Argumentation der Kreissynode des Kirchenkreis Potsdam teilten: „Dass die Einführung der sogenannten Bezahlkarte abgelehnt wurde, ist ein starkes Zeichen für eine weiterhin integrationsfördernde und menschenfreundliche Haltung gegenüber Geflüchteten in der Landeshauptstadt.“