Um den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche gibt es in Potsdam Streit. “Mahnmal der Verschwendung” sagen die einen, Symbol für Friedensarbeit die anderen. Kann ein Café in luftiger Höhe die Gemüter beruhigen?
57 Meter ist er hoch. Deutlich überragt er die umliegenden Plattenbauten in der Innenstadt von Potsdam. Der wiederaufgebaute Turm der Garnisonkirche, der am Donnerstag mit einem Festakt und einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet wird, hat alle Chancen, ein neues altes Wahrzeichen der Brandenburger Landeshauptstadt zu werden. “Der Turm ist sowohl ein architektonisches Mahnmal für die Stadt Potsdam als auch ein Gebäude, das mit einem neuen Inhalt versehen wurde, das auf Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie gerichtet ist”, sagt der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, der sich seit vielen Jahren für den Wiederaufbau eingesetzt hat. “Es bringt die Bedeutung des christlichen Glaubens für die Verantwortung in unserer Gegenwart zum Ausdruck.”
Dabei steht der Turm an der Stelle eines einst viel größeren Gotteshauses: 1730 bis 1735 ließ der preußische König Friedrich Wilhelm I. die damalige Hof- und Garnisonkirche im barocken Stil errichten. Mit ihrem fast 90 Meter hohen Kirchturm prägte sie das Potsdamer Stadtbild. Johann Sebastian Bach spielte an der Orgel, Napoleon Bonaparte war in der Kirche zu Gast, preußische Könige wurden hier begraben. Doch in den Geschichtsbüchern findet sich die Potsdamer Garnisonkirche heute vor allem wegen eines Tages aus dem Frühjahr 1933: Am 31. März trafen sich hier Adolf Hitler und Paul von Hindenburg. Bei einem Festakt zur Reichstagseröffnung schüttelte Hitler die Hand des greisen Präsidenten – als “Tag von Potsdam” wurde diese Szene zu einem Symbol der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Im zweiten Weltkrieg wurde die Kirche dann von einer Fliegerbombe getroffen. Was übrig war, sprengten die DDR-Machthaber im Jahr 1968.
Um den Wiederaufbau freilich gab und gibt es in Potsdam Streit. Denn die erste Initiative kam von einer Gruppe rechtsgerichteter früherer Bundeswehroffiziere. Ein von ihnen gestiftetes Glockenspiel ließ die Stadt Potsdam wegen der Inschriften auf den Glocken stilllegen. Schließlich waren es der damalige Berliner Bischof Wolfgang Huber, der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der frühere Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs, die 2004 mit einem “Ruf aus Potsdam” an die Öffentlichkeit traten und erklärten, dass die Kirche künftig zu einem “Zentrum für Frieden und Versöhnung” werden sollte. Eine Fördergesellschaft wurde gegründet, später eine Stiftung.Doch die Wogen in Potsdam tobten hoch. Kritiker, wie der Publizist Micha Brumlik, kritisierten, dass der “Ruf aus Potsdam” von Argumenten der “Neuen Rechten” geprägt sei, und forderten Distanzierungen. Brandenburgs früherer Finanzminister Christian Görke, der heute für die Linke im Bundestag sitzt, nannte den wiederaufgebauten Kirchturm hingegen ein “Mahnmal der Verschwendung”. “Die Eröffnung der Kapelle im Turm der Garnisonkirche ist kein Grund zum Feiern, sondern ein Anlass zur kritischen Reflexion”, sagte Görke. Denn von den 42 Millionen Euro, die der Wiederaufbau kostete, stammten 24,5 Millionen Euro vom Bund und fünf Millionen aus kirchlichen Darlehen. Nur etwas mehr als ein Viertel der Gesamtkosten wurden über Spenden gedeckt.
Ein Wiederaufbau des Kirchenschiffs steht deswegen auch nicht zur Diskussion, sagt der Programmvorstand der Stiftung Garnisonkirche, Pfarrer Jan Kingreen. “Ich sehe das Thema überhaupt nicht – erst wenn mir jemand 150 Millionen Euro und ein umsetzbares Nutzungs- und Betriebskonzept für die Kirche auf den Tisch legt, macht es Sinn darüber zu reden.” Die Stiftung Garnisonkirche begnüge sich mit dem Turm – und redet lieber über das, was in dem Bauwek künftig stattfinden soll: “Wir wollen Friedensarbeit auf der einen Seite, und Demokratiebildung auf der anderen Seite machen”, sagt Kingreen. “Beides ist gerade vor dem Hintergrund des in Ostdeutschland aufkommenden Rechtsextremismus aktueller als je zuvor.” So werde es im Gebäude etwa eine Ausstellung zum Zusammenhang von Glaube, Macht und Militär geben. Und auch Veranstaltungen zur Demokratiebildung sollen dort stattfinden. Und um den Betrieb zu finanzieren, soll es künftig ein Café und eine Aussichtsplattform in luftiger Höhe verfügen: Kingreen hofft darauf, dass bis zu 80.000 zahlende Besucher im Jahr die Auffahrt mit den Aufzügen unternehmen
Ab dem 23. August kann der Turm von jedermann gegen Zahlung eines Eintrittsgelds von zwölf Euro (ermäßigt sieben Euro) besichtigt werden. Der Besuch der Kapelle sowie von Bildungsveranstaltungen in der Kirche bleiben kostenfrei.