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Bezahlkarte für Geflüchtete: Es droht ein Flickenteppich

Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete verläuft uneinheitlich und langsam. Bei der Umsetzung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern.

So sieht die Bezahlkarte in Hannover aus
So sieht die Bezahlkarte in Hannover ausepd-bild / Jens Schulze

Die Bundesländer setzen die eigentlich einheitlich geplante Bezahlkarte für Geflüchtete derzeit mit teils abweichenden Regeln um. Das ergab eine Recherche der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). So gibt es Abweichungen etwa bei der Obergrenze für das Abheben von Bargeld oder regionalen Beschränkungen.

Mit Hessen und Niedersachsen begannen zwei größere Länder in dieser Woche mit der Ausgabe der Karten. In Ländern wie Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gibt es sie bereits seit ein paar Wochen. Andere Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen werden die zumindest technisch einheitliche Karte an Asylbewerber erst ab dem kommenden Jahr verteilen.

Migrationsexperten kritisieren Bezahlkarte

In vielen Ländern erhalten zunächst neu ankommende Schutzsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Bezahlkarte. Erst danach ist vorgesehen, sie auch in den Kommunen zu verteilen. NRW zum Beispiel, wo der Landtag am Mittwochabend eine gesetzliche Regelung beschloss, will es Kommunen freistellen, ob sie die Karte übernehmen. Hamburg begann bereits im Februar in einem Pilotprojekt, flächendeckend Bezahlkarten an Neuankömmlinge auszugeben. In Sachsen und Thüringen verteilten zahlreiche Landkreise vor Monaten erste Karten.

Bund und Länder hatten sich prinzipiell bereits im vergangenen Jahr darauf verständigt, statt Bargeld künftig eine Bezahlkarte an geflüchtete Menschen auszugeben. Befürworter versprechen sich davon unter anderem, dass künftig weniger Anreize bestehen, in Deutschland Schutz zu suchen. Migrationsexperten bezweifeln diesen Effekt jedoch.

Bezahlkarte: Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege

Auch sollen Verwaltungen durch das Wegfallen der Bargeldausgabe entlastet und Zahlungen an Schleuser oder Angehörige im Ausland verhindert werden. Menschenrechtler beklagen eine Diskriminierung. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kam kürzlich zudem zu dem Schluss, dass Geflüchtete deutlich seltener Geld ins Ausland überweisen als Migranten ohne Fluchthintergrund.

Nach der Einigung dauerte es zunächst noch bis Ende April dieses Jahres, bis die Möglichkeit einer guthabenbasierten Karte in das Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen wurde. Bis dahin hatten sich 14 Bundesländer auf ein gemeinsames Vergabeverfahren verständigt. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege. Bayern konnte bereits im Sommer melden, dass die flächendeckende Einführung der Bezahlkarte im Freistaat abgeschlossen sei. Mecklenburg-Vorpommern führt die Karte nach und nach ein.

Bremen plant Obergrenze für Bargeldabhebungen

Die geplante gemeinsame Vergabe an einen Dienstleister durch die 14 anderen Länder verzögerte sich dagegen über Monate. Ein unterlegener Bieter in dem Verfahren hatte Beschwerde eingelegt. Erst Ende September konnten die Länder den Zuschlag erteilen. Seitdem gehen sie eigenständig bei der Umsetzung vor.

So plant etwa Bremen, das die Karte voraussichtlich im ersten Quartal 2025 ausgeben wird, eine Obergrenze für Bargeldabhebungen von 120 Euro pro Person und Monat. Auch in Thüringen sollen nach bisherigem Stand bis zu 120 Euro freigegeben werden. Im Juni hatten sich die Regierungschefinnen und -chefs der Länder auf eine Obergrenze von 50 Euro geeinigt. Allerdings gaben damals Bremen, Rheinland-Pfalz und Thüringen abweichende Erklärungen zu Protokoll.

Sachsen-Anhalt: Bezahlkarte nicht für Online-Käufe

In Berlin einigten sich CDU und SPD nach langen Verhandlungen auf eine Lösung, die am Dienstag der Senat beschloss: Danach soll die Obergrenze zwar bei 50 Euro liegen, aber sechs Monate nach Erhalt der Karte automatisch wegfallen. In Brandenburg können Erwachsene 50 Euro pro Monat abheben, für Minderjährige gelten 25 Euro als Obergrenze. In Einzelfällen sind höhere Beträge möglich.

Eine solche Erhöhung in existenznotwendigen Fällen gewährt auch Sachsen-Anhalt, wo die Einführung der Bezahlkarte im November begann. In dem Land kann die Karte dafür nicht für Online-Käufe und für Überweisungen und Lastschriftabbuchungen nur in Ausnahmefällen genutzt werden. Andere Länder wie das Saarland wollen die Onlinenutzung hingegen nicht einschränken.

NRW will Glücksspiel und sexuelle Dienstleistungen ausschließen

In Schleswig-Holstein, wo die Landesregierung die Einführung ab 2025 plant, soll die Karte laut einem Kabinettsbeschluss aus dem Oktober ausschließlich im eigenen Land einsetzbar sein. Unter anderem Baden-Württemberg führt Negativlisten, auf denen zum Beispiel Online-Plattformen stehen, die Geldtransfers ins Ausland anbieten. NRW will Glücksspiel und sexuelle Dienstleistungen ausschließen.

Die Kommunen pochen derweil auf “eine möglichst einheitliche, rechtssichere Lösung”, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mitteilte. “Ein Flickenteppich sollte soweit wie möglich vermieden werden.” Ausnahmeregelungen seien da sinnvoll, wo Kommunen schon in Eigenregie auf Basis der bundeseinheitlichen Kriterien Karten ausgegeben hätten.